19. Jänner 2022

Die Sache mit der Komplexität

Ich bin wieder einmal am Rande meiner typischen Komplexitätskrisen, die sich einstellen, wenn ich in einem bestimmten Zeitfenster zu viele verschiedene Themen bearbeite. Das ist eigentlich wunderbar, weil es von großer Fülle handelt. Aber es ist auch sehr ermüdend, was die Gefahr zur Ungenauigkeit birgt. (Na, meine Sorgen möchte ich haben!)

Ich habe mich in letzter Zeit verstärkt bemüht, mit Menschen im Gespräch zu bleiben, die einige Ansichten haben, welche mit meinen Ansichten unvereinbar sind. Das geht jetzt schon eine Weile so und hatte seinen markantesten Moment an der Seite eines Traktoristen während einer Gleisdorfer Protestkundgebung. (Siehe: „Gleisdorf: Betrachtungen #12“!)


Ich höre seit so geraumer Zeit sehr viel von Solidarität, die gefordert wird, die angeblich geübt wird. Das Thema hatten wir im vorigen Jahr schon bezüglich des Kulturvölkchens, wobei ich die Ansicht vertrete, grade da sei Solidarität ein populärer Mythos. Ich bin seit über 40 Jahren Teil dieses Kulturbetriebs und kenne in der Steiermark bloß räumlich und zeitlich begrenzte Beispiele. (Siehe dazu meine Notiz „Solidarität?“!)

Meine individuelle und daher nicht repräsentative Erfahrung sieht so aus. Mit einigen Menschen habe ich eine mühelose Verständigung. Wo wir kooperieren möchten, wird das auch greifbar, denn dabei geht es ja bloß darum, sich ganz unaufgeregt über Inhalte und Handlungsoptionen auszutauschen. Wo es dann paßt, führt das zu gemeinsamen Schritten. Keine imposanten Gesten, keine großen Posen, einfach klare Kommunikation.

Unter der Flagge des Solidaritätsrufes sieht das anders aus. Wer diese Tonart bevorzugt, hat gewöhnlich mit größter Huld entgegengenommen, daß ich mich für seine oder ihre Gründe interessiere und mich womöglich in deren Lager engagiere. Dabei gab es dann eigentlich eher keine Fragen zu meiner Position und auch kein Engagement für meinen Teil der Geschichte.


Ich erlebe, daß die Solidaritätshungrigen es gerne unterstützen, wenn ich ihre Ansichten darstelle, dokumentiere. Daß sie einen Handgriff zugunsten meiner Ansichten tun, ist bisher eigentlich noch nicht vorgekommen.

Diesen Effekt kannte ich übrigens schon von Künstlerfreundinnen und –freunden, die mich sehr gerne mit Informationen und Material füttern, damit ich ihre Sache promote. Daß meine Sache dann auch in ihren Kommunikationskanälen vorgekommen wäre, um sie deren Publikum vorzustellen, ereignete sich eher nicht.

Verstehen Sie mich recht, das bekümmert mich heute keineswegs, denn ich kenne es als eine dominante Eigenschaft von vielen Leuten in meinem Milieu. Da ist eben so. Aber Euphemismen und versteckte Intentionen machen es leider extrem schwer, in einer Krisensituation die noch verfügbaren Kräfte so zu bündeln, daß sich zügig was bewegen läßt, um auf Probleme wirkungsvoll zu reagieren. Wie der Volksmund sagt: „Wer nicht will, der hat schon.“


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