8. November 2022

Der elektrische Franzl

Ende des 19. Jahrhunderts befand sich die industrialisierte Welt in einem massiven Umbruch. Die Elektrifizierung von New York gilt als exemplarisch. In den Zentren kamen die Gaslichter langsam an ihr Ende, nahmen die Tagesabläufe völlig neue Formen an. Glühlampen, wie etliche entwickelt wurden und Edison seine durchgesetzt hatte, konnten die Nächte erhellen. In New York wurde das zwischen 1881 und 1886 realisiert.

Die Internationale Elektrizitätsausstellung 1881 im Palais de l’Industrie von Paris war das erste Großereignis dieser Art, sozusagen eine Weltausstellung des Elektrischen. Vor diesen Hintergründen ist es bemerkenswert, wie zügig einfallsreiche Menschen in der Oststeiermark auf all das reagiert haben. Wir sollten bei Gelegenheit darüber reden, auf welche Art solches Know how überhaupt in die Provinz kam, denn unsere Region war im 19. Jahrhundert noch sehr rückständig. (Stichwort: „Der steirische Prinz“.)



Die Raab: unsere historische Kraftquelle, bis heute in diesem Sinn nutzbar.

Wie also konnte der begabte Sohn eines regionalen Mühlenbesitzers die passenden Ideen entwickeln und das nötige Know how erwerben, um folgende Ereignisse einzuleiten? Im Jahr 1892 ging auf den Straßen von Weiz das elektrische Licht an. Anno 1905 war es in Gleisdorf soweit, daß einige Schalter umgelegt werden konnten. Zack! Licht! (Freilich erst nur an ausgesuchten Plätzen.)

Der „elektrische Franzl“ hatte sich mit seinen Vorstellungen und Projekten durchsetzen können. Das meint den Ingenieur Franz Pichler, der 1890 seine erste elektrische Maschine gebaut hatte. Die behördliche Bewilligung für solche Unternehmungen ward ihm dann am 3. Oktober 1892 erteilt worden. Da hatte sich aber zum Beispiel Altmeister Johann Puch schon seiner Kompetenzen bedient und von ihm eine Anlage einrichten lassen.



Vorelektrischer Effekt: die „Schusterkugeln“ wurden mit Wasser gefüllt, um die Lichtausbeute von Kerzen zu verbessern.

Es dauerte dann noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg, um in der Oststeiermark Strom (und Wasser) in den Haushalten flächendeckend eingeleitet zu haben. (Hier war davor nicht gerade der Wohlstand zuhause gewesen.) Was ist an jenen Kräftespielen so anregend? Es sind die Erfahrungen mit radikalen Umbrüchen. Nun zur Gegenwart...

Gibt es in unserer Region schon angemessene Vorstellungen, welche technischen Innovationen derzeit längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind? Haben wir nützliche Bilder und taugliche Vorstellungen, worin sie unsere Lebenswelten verändert haben? Wer meint, das sei selbstverständlich der Fall, weil für uns alle offensichtlich, urteilt vorschnell.



Mosdorfer: auch Isolatoren und Schaltelemente von Weltrang kommen aus der Oststeiermark.

Bei genauerer Nachschau zeigt sich eher, daß viele Menschen dazu neigen, auf Umbrüche und Irritationen mit traditionellen Bildern und Ansichten zu reagieren. Das ist völlig legitim, denn sie bieten entlastende Erklärungsvarianten, egal, ob stichhaltig oder nicht. Aber es trägt zur Zukunftsfähigkeit einer Gemeinschaft nichts bei, das der Rede wert wäre. Ergibt das besondere Aufgaben für die Wirtschaft? Liegen darin soziokulturelle Agenda, denen wir uns aktuell widmen sollten?

+) Die Natur Mensch (Eine Annäherung)


[Kalender] [Reset]