11. Dezember 2022

Die Sache mit der Katharsis


Ich lebe jetzt seit 45 Jahren als Freelancer, genauer: ich lebe in der Kunst. Ich bin schwerfällig geworden. (Kein Einwand!) Ein Hauptmotiv in dieser ganzen Geschichte lautet Selbstbestimmung. Der Rückblick macht klar, das war stellenweise teuer geworden und doch ist mir kein Preis zu hoch gewesen. (Keine Sorge, ich drehe die Flamme des Pathos gleich wieder runter.)

Während ich an meinem Schreibtisch sitze, wo mich Fenster nach drei Himmelsrichtungen umgeben, die im Augenblick von Regenwetter verhangen sind, ist manchmal in den tiefen Regalen hinter mir ein leichtes Knarren zu hören, meist nur für einen Augenblick.


Was immer die Quelle ist, vielleicht knarrt das dickwandige, aber schäbig gewordene Wappen aus meinen jungen Jahren, ein Brocken aus Hartholz. Der Wappenspruch, wie er in tiefen Rinnen eingraviert ist, lautet: „Nur keinen Streit vermeiden!“ Das hat heute keinen Vorrang mehr, aber es war einst der Geschmack einer Attitüde, die mich zwar manchmal in Scherereien gebracht hat, doch ebenso aus Scherereien herausführte.

Es hat mit meinen Kindertagen zu tun, daß mir sowas früher sehr wichtig war und daß ich bis heute betone: Ich war nie ein Pazifist. Aber man müßte ein Agent der Blödheit sein, wenn man über einen größeren Zeitraum hinweg nicht herausfindet, daß so ein Modus eigentlich katastrophal ist.


Heute bin ich in so einer Art Veteranenstimmung, müde aller Grobheiten, der meinen und jenen anderer Leute. Dieses Konfliktlustige in eigener Sache. Wie sehr sie mich langweilen, diese aufgeplusterten Komparsen einer spießbürgerlichen Conquista. Egal, damit muß ich mich jetzt nicht befassen.


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