27. Dezember 2022

In Augenhöhe

Ich hab Glück mit den Youngsters, denn ich höre sie nie dumme Dinge sagen. Also denke ich stets vergnügt und ruhigen Blutes an sie. Es fällt mir daher leicht, nun zu den Alten zu gehören. Mein Leben hat sich in einer Ära entfaltet, die vorbei ist. Daraus wären ohnehin keine tauglichen Ansichten zu ziehen, die ihnen später nützen würden; nämlich zu einer Zeit, in der ich nicht mehr an Bord sein werde. Es wird eine völlig andere Zeit sein. Das zeichnet sich unübersehbar ab.


Was dann aktuell bleibt, all das Grundsätzliche im Umgang miteinander, darauf sind sie inzwischen ohnehin von selbst gekommen. Meine Meute braucht keinen Ratgeber, sondern einen anregenden Gesprächspartner. Und manchmal Rückhalt. Das sind ganz andere Handlungsweisen als die Ratgeberei. Es sind völlig verschiedene Konzepte der Beziehung zueinander.

Zugegeben, es hat auch etwas sehr Bequemes. Ich muß nicht versuchen schlauer als sie zu sein. (Das ist eine sehr anstrengende und völlig überflüssige Pose.) Um ein Beispiel herauszugreifen: In den rund dreißig Jahren, die mein Sohn und ich einander kennen, hat er mich bloß ein einziges Mal um Rat gefragt. Einmal. Mehr war da nicht.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, worum es dabei ging, aber ich weiß den Verlauf noch ganz genau. Er fragte, ich holte Atem, um zu antworten, er sagte: „Aber bitte keinen Vortrag!“ Da hab ich einmal mehr meine Rolle als Vater gründlich überdacht und kam zum Schluß: das läuft genau richtig. Niemand braucht einen Generaldirektor.

Was sich ereignet, wenn ich mit den Youngsters beim Kaffee oder beim Wein sitze? Wir plaudern übers Leben. Manchmal lästern wir über jemanden ein wenig. Und ich staune, was in ihren Herzen vorgeht, wie sie ihre Angelegenheiten regeln, welche Klarheiten sie gefunden haben. Geht alles ganz ohne Generaldirektor.

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