26. März 2023

Heuchelei ist eine schlechte Angewohnheit

Ich hab gestern schon betont, daß man zu den diversen Verbrechen amerikanischer Regierungen keineswegs schweigen muß. Nicht einmal Amerikas Filmindustrie schweigt dazu. So manche Hollywood-Produktion finde ich eindringlicher, aufschlußreicher, als gelegentliches Gezeter, das mich via Social Media erreicht; vor allem, wo wir gerade das Verhalten von Putin und seiner Gang debattieren. Also: Prioritäten!

Ich erinnere dann gerne daran, daß wir uns sehr viel Geld sparen, welches wir dem Konsum oder anderen Wohltaten widmen können, weil wir seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs als sicherheitspolitisches Protektorat der USA gedeihen. Wer mir also schlampige USA-Kritik zumutet, tut dies unter dem Schutzschild der Nato. Eine merkwürdige Pose. Gibt es ein Konzept, das aufzulösen? (Ich kenne bisher keines.)



Ein Gemälde von Anton Romako: Admiral Tegetthoff (Ausschnitt)

Aber reden wir doch darüber, wozu wir selbst bereit und in der Lage wären. Ich hab in der gestrigen Notiz erwähnt, Österreich müsse als Militärmacht seit Menschengedenken ohne Ruhmesblätter auskommen. Sagt Ihnen vielleicht das Wort Lissa etwas? Oder Bärentatze? Mir fallen auf Anhieb bloß zwei prominente Kommandeure ein, die in Österreichs Geschichte markante Spuren hinterlassen haben.

Prinz Eugen, ein Feldherr von Rang, übrigens ein französischer Gastarbeiter im Dienst der Habsburger. Und Admiral Wilhelm von Tegetthoff, der im Jahr 1866 die Seeschlacht bei Lissa gegen Italien gewann. (Österreich war damals ein Imperium, Italien nicht gerade eine Großmacht.) Was hätten wir sonst noch anzubieten? Als ich Manfried Rauchnsteiners opulente Arbeit über den Ersten Weltkrieg gelesen hab, fand ich es geradezu verstörend, welche Fallschilderungen man da findet, wonach allerhand Offiziere ihres Kommandos enthoben werden mußten, weil sie sich als völlig untauglich erwiesen.

Schon die Eröffnung der Kriegshandlungen war ein Schuß in den Ofen. Ich hab hier im November 2016 notiert: „Am 29. Juli 1914 hatten sich drei Monitoren der Donauflottille vor Belgrad in Stellung gebracht. Der Tagesanbruch war noch fern. Um etwa 2:20 Uhr wurden von diesem kleinen Verband aus vier 12 Zentimeter-Granaten auf serbisches Gebiet abgefeuert. Es waren die ersten Schüsse des Großen Krieges, die als Kriegshandlung gewertet wurden.“ (Quelle) Die Österreicher schossen übrigens blind.



Wie sich Österreich zu ducken hatte

Falls jemand fragt, welcher Feldherr den Krieg gegen Serbien eröffnen durfte, es war eben jener Oskar Potiorek, der schon rund um die Schüsse von Sarajevo einen Fehlentscheidung nach der anderen getroffen, also hauptsächlich durch Inkompetenz geglänzt hatte.

Ich überspringe die Nazi-Ära, in der sich Leute aus Österreich bei manchen Greueltaten besonders hervorgetan haben, also nicht gerade heroisch waren. (Das Malträtieren und Massakrieren unbewaffneter Menschen zeugt von besonderer Niedertracht.)

Schnitt! Zweite Republik! Ich nehme an, weder die Worte „Manöver Bärentatze“ noch „Spannocchi-Doktrin“ sind allgemein bekannt. Ich hab all das wieder ausgegraben, als ich meine kleine Kulturgeschichte des Steyr-Puch Haflinger schrieb. Der war nämlich technischer Ausdruck jener Ära, das Wappentierchen einer Logistik, die man entworfen hatte, um sich effizient einzugraben und einen möglichen Feind zu belästigen. Man kann es nicht anders formulieren. Es fehlte umfassend an Geld, Ausrüstung und Konzepten, um sich einer Großarmee zu stellen. Aber über uns wachte ab 1949 ohnehin die Nato.

Das Manöver „Bärentatze“ (10.-14.11.1969) war äußerst beunruhigend, wenn man bedenkt, daß Österreich am Eisernen Vorhang lag und die waffenstarrende Konfrontation zweier Systeme blühte. Im „Spiegel“ hieß es 1970: „Seit seiner Geburt im Staatsvertrag von 1955 war Österreichs 85 000-Mann-Streitmacht ein »Contergankind« (so die Wiener »Presse"). Die Mini-Streitmacht siecht dahin...“ [Quelle]



Der Hafi, ein Produkt des Kalten Krieges

Um die „Österreichische Militärische Zeitschrift“ zu zitieren, meinte General Erwin Fussenegger damals zu all dem: „Es brennt zwar nicht der Hut, aber es glost die Jacke." [Quelle] Das Magazin „Truppendienst“ bietet mit „Manöver mit Fragezeichen“ [Quelle] von Horst Pleiner eine äußerst ernüchternde Einschätzung, was die damalige Kampfkraft des Bundesheeres betraf. Mir ist nicht bekannt, daß sich diese Situation seither essenziell verbessert hätte.

Daher meine Frage: Was wären wir geneigt, mit unserer Schutzmacht USA zu verhandeln, um erstens mehr Eigenständigkeit zu erlangen und zweitens unser Gewissen zu beruhigen, da wir es ganz ohne Zweifel mit einer imperialen Macht zu tun haben? (Und wer ist dieses „Wir“? Österreich? Die EU? Europa?) Darauf zielt meine heutige Headline: Heuchelei ist eine schlechte Angewohnheit.

+) Eurasien