25. April 2023

Das Hochrüsten

Der ORF ließ mich gestern via Facebook wissen: „Noch nie wurde weltweit soviel für das Militär ausgegeben wie 2022. Das zeigen Auswertungen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI). In Europa ist ein Hauptgrund dafür der Krieg in der Ukraine.“

Es folgte eine Flut von Replies der herzzerreißenden Art, wie etwa: „Würde dieses Geld in sinnvolle Geschichten gesteckt wie Maßnahmen gegen Klimawandel und aktiven Umweltschutz samt Maßnahmen und Technologien, hätten wir viele Sorgen und Probleme weniger - aber ein paar kranke Typen, müssen sich ja bekriegen und andere Länder besetzen!“



Die Großmächte (Quelle: ORF/SIPRI) [Gesamte Ansicht]

Ja. Gut. Klar. Wäre. Hätte, hätte Fahrradkette. Und Fernbefunde wie „ ein paar kranke Typen“ abgeschickt von Hobbypsychologen, das hilft uns ja famos weiter. Pardon! Käme das von Kindern, ich fände es okay. Sehr emotional, einfache Bilder... Aber sowas kommt von erwachsenen Leuten. Ich finde es provokant, sich die Welt so simpel zurechtzustellen.

Beispiel Putin. Es mag ja sein, daß er psychologische Betreuung brauchen könnte. Aber das schert mich noch am allerwenigsten, wenn ich einem Räuberhauptmann zuschaue, wie er mit seiner Gang über geraume Zeit hinweg erst einmal das eigene Staatsvolk ausplündert, um dann zügig zu expandieren.

Da bin ich eigentlich gleich bei der Frage: Was können wir beitragen, um sowas abzustellen? Ein großes Thema, das sich nicht in wenigen Sätzen abhandeln läßt. Aber so viel geht auch in Kurzform: Europa muß sich neu konsolidieren, muß unter anderem ein sicherheitspolitisches Konzept zustandebringen, das definitiv transnational ist. (Die populäre FPÖ-Idee „Festung Österreich“ ist blanker Unsinn.)

Dazu gehört, daß wir in Österreich neu klären, was genau wir mit der verfassungsmäßg bestimmten Neutralität meinen, welche Arten von Bündnissen und Leistungen das einschließt, was es ausschließt. Das ist nicht nur Sache des politischen Personals, das müssen wir alle klären; für einen selbst und für das Land.

Was wir alle leisten können, sind individuelle Beiträge zum sozialen Frieden. Die werden kaum darin liegen, den aktuellen Rechtsruck zu begünstigen oder sogar zu bedienen. Ich sehe freilich, daß ich dieses Thema in meiner Gegend noch nicht einmal sonderlich zur Sprache bringen kann, während sich eine smarte Version des Neofaschismus im Raum Gleisdorf längst etabliert hat.



Wie soll ich die Dinge nun ordnen, damit ich handlungsfähig bleibe? Es beginnt für mich mit dem Begreifen, daß die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte kein universelles Konzept ist, nicht einmal ein globales, sondern bloß von einem Teil der Menschheit für relevant gehalten wird.

Dieses Grundsatzpapier dessen, was wir uns unter Demokratie vorstellen, hat andernorts keinerlei Bedeutung. Ich will es ein „abendländisches Konzept“ nennen, das in der Aufklärung wurzelt. Dazu muß aber betont sein, daß Menschenrechte die längste Zeit in diesem Teil der Geschichte mit Staatsbürgerschaft gekoppelt waren.

Auch unsere Leute haben in den letzten Jahren markante Beispiele geliefert, daß Ankömmlinge sich bei uns ohne Staatsbürgerschaft keineswegs darauf verlassen können, im Schutz der Menschenrechtskonvention zu stehen.

Ich sehe eine weltweite Systemkonkurrenz, die immer härtere Formen annimmt. Von Rußland, China und Indien läßt sich ganz verbindlich sagen, daß man dort „westliche Werte“ und unsere Vorstellungen von Demokratie explizit ablehnt.

Von anderen Ländern und Länderverbänden wie den BRICS-Staaten oder afrikanischen Formationen weiß ich es nicht. Aber ich gehe davon aus, daß dieses Europa mit seiner Kolonialgeschichte weiters nicht mehr tonangebend sein wird. Wir müssen uns völlig neu orientieren...

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