16. Mai 2023

Ouh Emm Dschie!

Anno 1956 fand im schweizerischen Lugano der erste Wettbewerb statt, den wir heute als Eurovision Song Contest (ESC) kennen. Dieser Wettbewerb ist also gleich alt wie ich und interessiert mich eigentlich nicht. Das hat keinen besonderen Grund außer den, daß mich Produkte der Unterhaltungsindustrie meist etwas langweilen.

Aber sie sind unausweichlich und sie sind in diesem Fall auf komische Art geeignet, Nationalgefühle zu inszenieren, was zu skurrilen Momenten führen kann. Nun wurde also von A wie Albanien bis Z wie Zypern gezittert und abgestimmt. Das führte zu recht heftigen Medienreaktionen.


Ich hab genug Neugier in mir, um dann wenigstens die Beiträge von Österreich und Deutschland abzurufen, denn sie sind beide etwas, ähem, räusper, nicht gar so weit oben auf der Liste angekommen. Österreich: Platz 15, Deutschland: Platz 26. Erstaunlich auch Großbritannien, ein Mutterland der Popularmusik: Platz 25.

Aber alle drei Formationen hatten die Haare schön, trugen raffinierte Klamotten und da lief allerhand mit markanter Choreo. Genau! So sagt man zur Choreografie, wenn man flott erscheinen will. Früher waren das noch gekürzte Romane, vier in einem Buch, so hab ich das als Kind erlebt.

Heute werden sogar Begriffe gekürzt. Wurde natürlich vom internationalen Kürzel-Komissariat genehmigt. So Sachen wie „Ah-Bee“, „Aggro“, „O-Saft“ oder das milieuübergreifende „Ouh Emm Dschie“! (Sogar praktizierende Heiden rufen gelegentlich „Oh mein Gott!“ aus.) Was, wenn beizeiten Kürzel gekürzt werden?

Wie angedeutet, Produkte der Unterhaltungsindustrie müssen mir nicht gefallen, die müssen unterhalten, aber vor allem auch durch solide Produkte Geld einbringen. Erstens Return of Investment und zweitens Profit. Klar? Klar.


Allerdings: diese Stimmchen! Ein kleiner Vergleich. Sie finden im Web derzeit auch Material zur Staffel 2023 von „The Voice Kids“. Hören Sie doch da einmal ab dem Halbfinale in einige der Beiträge hinein. Meine Ohren verraten mir, daß jedes dieser Kinder das Gesangspersonal der drei genannten ESC-Länder an die Wand singen würde. Jedes. Kinder!

Was lerne ich daraus? Das weiß ich nicht. Aber dieses Pop-Business hat eben seine eigenen Gesetze, also: Marktgesetze, und ich muß nicht alles verstehen, was mir als Kulturleistung angedient wird.

Vielleicht ist es in der Unterhaltungsbranche auch ein wenig so, wie ich es im heimischen Kulturbetrieb erlebe. In der Politik und in der Verwaltung finden sich ebenso etwas viele Beispiele: Protektion geht vor Kompetenz. Derlei höfische Sitten sind nicht aus der Welt zu schaffen, wie es scheint.

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