12. Juli 2023

Russische Konfusion

So sehr wir gute Gründe haben, den Angriffskrieg Rußlands gegen die Ukraine im Fokus zu behalten, so ruhig läßt sich derzeit auf Spekulationen darüber verzichten, was da hinter den Kulissen laufen mag. Hundert Optionen. Es ist aktuell nicht dechiffrierbar.

Ich habe mir eine ganze Serie von Gesprächen mit Leuten angehört, die sich seit Jahren auf diese Region konzentrieren, politische und militärische Vorgänge analysieren. Es herrscht große Einigkeit darüber, daß sich vorerst überhaupt nicht sagen ließe, was da genau läuft, nachdem Warlord Prigo eine Meuterei zugelassen oder herbeigeführt, vielleicht auch bloß inszeniert hat.



Da bin ich Ministerialrat

Warum ist er noch am Leben? Wie stehen Putin und Prigo tatsächlich zueinander? Wird der Schlächter nach Afrika verbannt, um dort Putin weiter zu dienen? Wird er doch demnächst beerdigt? Manche Stimmen sagen, Putin habe einen langen Atem, es könne einen auch nach Jahren noch überraschend ein Attentat treffen.

Für einen Laien wie mich also lauter müßige Fragen, auf die es derzeit keine stichhaltigen Antworten gibt. Selbst sehr sachkundige Leute verzichten momentan auf verbindliche Deutungen. Was aber offenbar als gesichert gilt: Putin hat öffentlich gesagt, die Wagner-Gruppe, eine private Söldnerarmee, sei über einen konkreten Zeitraum mit Milliardenbeträgen aus dem russischen Staatshaushalt bezahlt worden.

Das bedeutet mindestens, Putin hat sich einen militärischen Arm geleistet, für den man Rußland formell nicht haftbar machen kann. Eine kampftaugliche Körperschaft, um in anderen Ländern zu intervenieren, dort die eigenen Interessen durchzusetzen. (Da kann die Mafia noch was lernen.)

Ja, aber!
Nun erlebe ich immer wieder lebhafte Whataboutisten, die dann rufen: „Ja, aber Amerika!“ (Genauer meint das die USA.) Wissen wir! Deren Regierungen haben oft genug Völkerrecht und Menschenrechte verletzt, um ihre Interessen zu verfolgen.



(Quelle: ORF)

Dieses Österreich ist übrigens ein freies Land. Man konnte sich jederzeit öffentlich dazu äußern, auch dagegen auftreten, die USA anprangern. Man kann das weiterhin tun, falls einem gerade danach ist. Das relativiert Putins Vorgehen und entlastet seine Bande? Lustig!

Ich will mich davon jetzt, in diesem Juli 2023, nicht davon ablenken lassen, daß wir ein höchst akutes Problem haben. Dazu gehört jene Kulturrevolution von rechts, dank derer mich auch aus meinem nächsten Umfeld und aus den Reihen des Kulturvölkchens allerhand Nachrichten erreicht haben, in denen Putin eine sehr freundliche Deutung erfährt.

Faktum bleibt, daß rechte Kreise gleichermaßen in den USA und in Rußland viel Engagement eingesetzt haben, um auch in Europa solche Konfusionen zu nähren und die EU zu schütteln. (Bannon oder Dugin, kein Unterschied!) Was machen tausende meiner Landsleute? Ziehen über die EU her. Lustig! Da sind seit Jahren Troll-Armeen, Social Media-Teams und andere Konsorten am Werk, denen wir uns im Bereich öffentlicher Diskurse stellen müßten.



Oh! Wie geht's mir? (Quelle: ORF)

Das korrespondiert mit den dummdreisten Appellen, Österreich möge zu einer „Festung“ umgestaltet werden, was im Kern die gleichen ideologischen Wurzeln hat, wie Putins Eskapaden. Bloß daß er infolge der Dimension Rußlands und der dort verfügbaren Ressourcen, imperiale Konzepte verfolgen kann, wozu Österreich nicht einmal ansatzweise in der Lage ist.

Deshalb dieses Konzeptchen „Festung Österreich“, das einen Abklatsch der mittelalterlichen Stadt ergibt. Also eine sehr alte Idee aufwärmt, um menschliche Gemeinschaft in Sicherheiten zu ordnen, die es heute nicht mehr gibt.

Dazu kommt unausgesprochen dieser ethnisch-rassistische Aspekt, der sich allzu leicht zu tödlichen Pose entwickeln kann. Das paßt doch zum gestrigen 11. Juli, an dem viele Menschen der Massaker von Srebrenica gedachten. Eine menschenverachtende Anmaßung, die ethnisch begründet worden war und mit einem Maximum an Gewalt umgesetzt wurde. So läuft das mit Festungs-Besatzungen...

+) Eurasien


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11. Juli: Remembering Srebrenica