22. Dezember 2023

Tesserakt: Kontext Dezember 2023

Ginge es nach dem Kabarettisten Michael Niavarani, wäre ich als Österreicher das Produkt der Versuche, aus einem Bayern einen Italiener zu machen. Diese Versionen mag es geben. Vielleicht sind es seine iranischen Wurzeln, die Nia gelegentlich betont, weshalb er die Achse aber zu kurz betrachtet.

Ich bin in meinen Fundamenten natürlich ein Balkan-Boy. Darauf weist nicht bloß mein Name hin. Krusche leitet sich vom südslawischen „Kruschka“ ab. Das ist die Birne. Freilich in anderer Schreibweise, weil den Balkanesern gilt: Ein Laut = ein Zeichen.



Vojvodina: Das nächtliche Novi Sad.

Heute redet man über mich in solchen Gefilden als Schwabo. Das meint etwa in der serbischen Vojvodina Leute aus Österreich oder Deutschland. Der Schwabo und die Schwabica erinnern an jene Donauschwaben, die unter Maria Theresia einst dort angesiedelt wurden.

Ein pragmatischer Grund: die Zone zwischen dem Reich der Habsburger und dem der Osmanen sollten nicht menschenleer sein. Sogenannte Wehrbauern hatten besondere Privilegien, um dort zu bleiben.



Mit Gleisdorfs Kulturreferent Karl Bauer (links) und Fotograf
Richard Mayr in Nagykanisza.

Wir möchten uns heute gar nicht vorstellen, wie gefährdet das Leben in einigen jener Gegenden permanent war. Diese Dinge betrafen auch unseren oststeirischen Raum. Gleisdorf ist die Partnerstadt des ungarischen Nagykanisza, oder wie es früher auch hieß: Festung Kanisza. Ein Bollwerk gehen die Osmanen, wenn die den Ort nicht grade besetzt hatten.

Kanisza war gelegentlich eine Hauptfestung des Osmanischen Reiches, wie man nahe Novi Sad Petrovaradin findet, ein Bollwerk der Habsburger und im 17. Jahrhundert die größte Festung Europas.



Vom Gleisdorfer Tabor ist nichts geblieben.

Jene Kräftespiele betrafen einst auch Fürstenfeld, wo die Befestigung ein sehr belastender Kostenfaktor gewesen ist. Daß aber Gleisdorf am Kirchriegel einen Tabor hatte, von dem allerdings nichts geblieben ist, belegt, daß die Freischärler von Ungarn und von Türken, sowie deren reguläre Verbände, sehr lange Zeit eine massive Bedrohung für unsere Leute waren.

Die einstige Militärgrenze zwischen Habsburgern und Osmanen, aus der übrigens Nikola Tesla stammt, und weshalb er – naheliegend - erst einmal an der TU Graz studiert hat, ist ein wuchtiges Thema.



Im Leib des Archipels.

Was schert mich das? Ich hab in der Notiz „Archipel: Status Dezember 2023“ unter anderem geschrieben: „Geschichtsbetrachtung ist uns wichtig!“. Einiges vom oben Erwähnten bezieht sich nun nicht bloß auf unser Projekt „Archipel“, sondern auch auf den Themenkomplex Florianiplatz.

In all das bin ich mit meinem eigenen Arbeitskomplex „Tesserakt“ verwoben. Das ergibt in Summe eine Crew, die nicht formell zusammengefügt wurde, sondern derzeit über Absichtserklärung, aktive Anwesenheit und adäquates Kommunikationsverhalten kollektive Wissens- und Kulturarbeit voranbringt:
+) Archipel
+) Florianiplatz
+) Tesserakt



Steifzüge im Archipel. (Heinz Payer)

Darin liegt übrigens mein nächster Versuch, in Kooperation mit geistreichen Menschen eine Situation zu entwickeln, in der Kunst- und Kulturschaffende regional ein Feld erschaffen, das von einem relevanten und wirksamen geistigen Leben handelt, wobei dann auch die Kunstpraxis nicht einfach eine Art „ästhetisches Tagebuch“ ist, in dem eigene Befindlichkeiten verwertet werden.

Es geht um einen Teil der Gesellschaft und um ein öffentliches Leben, in dem der Umgang mit immateriellen Gütern, der kritische Diskurs, kulturelle Kompetenzen, der Wissenserwerb und ästhetische Erfahrungen eine gewichtige Rolle spielen.

+) Kulturpolitik (Notizen)