15. April 2024

Rollenkonzepte

Nach dem vollzogenen Ende der Dampfmaschinenmoderne und dem Umbruch in die Digital-Moderne halte ich es für dringend, unsere Arbeitsbegriffe überprüfen. Dazu kommt, daß vor uns noch nie so viele Menschen derart alt werden konnten, wie es heute in Österreich möglich ist.

Es gab natürlich auch schon früher manchmal Achtzig- und Neunzigjährige, aber sie waren die Ausnahmen. Um Wikiped zu zitieren: „In Europa lag die Lebenserwartung um 1820 bei etwa 36 Jahren. Sie war am geringsten in Spanien und am höchsten in Schweden. In Japan lag sie bei 34 Jahren. Die durchschnittliche Lebenserwartung (zum Zeitpunkt der Geburt) betrug um 1800 weltweit höchstens 30 Jahre, nur selten 35 Jahre.“ [Quelle]



Als Autor bleibe ich Privatier.

Dazu kommt, daß die Kategorie „Freizeit“ ein junges Phänomen ist. Diese Trennung von „Zeit für sich“ hier und Arbeitszeit da, gesichert und bezahlt, kennen wir noch nicht lange. Außerdem wurde in den meisten Fällen gearbeitet, bis man es nicht mehr konnte. „In Pension gehen“ ist auch ein junges Konzept.

Ich wollte nun genauer wissen, wie wir zum Begriff „Pension“ gekommen sind, soweit er nicht grade einen Beherbergungsbetrieb bezeichnet, sondern einen regelmäßig ausgefolgten Geldbetrag zur Altersversorgung.

Das kam, weil kürzlich jemand zu mir sagte: „Du bist ja Pensionist, oder?“ Meine Antwort: „Nein, ich bin Autor.“ Und wäre ich nicht Künstler, seit Jahrzehnten Freelancer, wäre meine Antwort: „Nein, ich bin Privatier.“



Hanna Schygulla, eine Pensionistin? Wohl eher nicht.

Der Begriff „die Pension“ meint bei uns in dem Zusammenhang einerseits das Geld, andrerseits die Zeit nach einem aktiven Erwerbsleben, meint den „Ruhestand“. Da viele Menschen erleben, daß sie erst dann eine Zeit erhöhter Selbstbestimmung haben, regt das zu Aktivitäten an, die mit dem Bonmot „Unruhestand“ bezeichnet werden. Das ist hierzulande in auffallender Weise identitätsbildend.

In dem Zusammenhang hatte ich früher schon einmal nach dem Unterschied zwischen „a.D.“ = „außer Dienst“ und „iR“ = „im Ruhestand“ gefragt. Kurz gesagt, die Außerdienstleute erinnern uns mit diesem Kürzel daran, daß sie ein Amt innehatten, von dem man wissen sollte, auch wenn sie längst was anderes tun.



Übergänge? Kontraste und Kontinuitäten.

Die Ministerin a.D. ist demnach eine gewesene Ministerin. Der Generalleutnant a.D. war ein solcher, ist es nicht mehr. Derlei Statusformen betreffen Leute, die entweder ihr Amt temporär ruhend gestellt haben, oder einen anderen Job machen, wahlweise eine bestimmte Altersgrenze erreicht haben und aus dem Broterwerb ausgestiegen sind.

Dann sind Leute i.R., also im Ruhestand, können aber mit dem Fragmentchen „a.D.“ auf die Frage verweisen: „Wissen Sie eigentlich, wer ich gewesen bin?“ Das sollte natürlich „was ich gewesen bin“ heißen. Doch wenn ein Amt zum Teil der eigenen Identität wurde, dann zählt eben nicht das Was, sondern das Wer.

Mit dem Wort Pension, so lese ich, sei im Frankreich des 15. Jahrhunderts ein Gehalt oder Ruhegehalt bezeichnet worden. Im Italien jener Zeit habe la pēnsio eine Zahlung, beziehungsweise Auszahlung bezeichnet. [Wird fortgesetzt!]

+) Siehe dazu auch: "Von alten Säcken und einigem Drumherum"!


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