7. Februar 2025

Die Fluchtpunkt-Maschine


Es wird ganz gerne angenommen, die Zentralperspektive sei eine Errungenschaft Europas der Renaissance. Filippo Brunelleschi gilt als exponierter Wegbereiter dieser damaligen Innovation, die unter anderem gewissermaßen des Standpunkt des Beobachters in die Bildwelten eingeführt hat.

Kunsthistoriker Hans Belting hat in „Florenz und Bagdad“ allerdings dargelegt, wie es dazu notwendig war, eine Blicktheorie aus der arabischen Kultur zu übernehmen. (Nicht die einzige morgenländische Anregung, von der in unserer Renaissance profitiert wurde.)



Hans Belting erläutert das Perspektivische.

Das Thema des perspektivischen Sehens holen wir derzeit mit den Kompetenzen von Architekt Joachim Karner in unsere Arbeit herein. Er ist vor allem auch ein hochkarätiger Zeichner im künstlerischen Sinn. Das wird in Gleisdorfs ungarischer Partnerstadt Nagykanizsa zur Geltung kommen, wo wir eben den Lokalaugenschein für eine Ausstellung absolviert haben.

Wir, das meint Gleisdorfs Kulturreferenten Karl Bauer, Fotograf Richard Mayr und mich. Unsere Fahrt zu den Nachbarn war zugleich eine rollende Konferenz. Dabei konnten wir mit Bauer klären, daß für uns innerhalb seines Fachgebietes als Veterinär ein interessantes Teilthema liegt.



Nagykanizsa, ein Terrain nahe dem Plakatmuseum.

Der Themenkomplex kulturell tradierter Mensch-Tier-Beziehungen würde mir komplementär sehr gut zu einem unserer Arbeitsschwerpunkte passen, zumal unsere Mobilitätsgeschichte ohne das Augenmerk auf Ochsen und Pferde gar nicht darstellbar ist. Ferner hat sich in der Folge die Beziehung Mensch-Maschine als ein Kräftespiel entfaltet, welches das Antlitz der Welt veränderte.

Die Zusammenhänge von Mensch-Tier und Mensch-Maschine haben etliche Querverbindungen. Dazu gehörte am Tag nach der Ungarn-Fahrt der Besuch von Wiener Neustadt. Um anläßlich der Sonderausstellung „Von GRÄF & STIFT bis ÖAF“ mit Oldtimer-Expertin Lisl Mesicek und Psychologin Petra Schwarz darüber zu reden, ob wir einen anregenden Diskurs zustandebringen, in dem einige soziokulturelle Aspekte des Themas Automobil verdeutlicht werden können. Belange, die sonst meist übergangen werden.



Richard Mayr (links) und Karl Bauer.

Das verweist zugleich auf mein aktuellen Konzept für „Mythos Puch“. Wir haben heute einen Round Table vor uns, in dem wir alte Meister und junge Virtuosen an einen gemeinsamen Tisch holen. Kein Zufall, daß wir diese Session im Verlagsbüro der Edition Keiper realisieren. Ein Grazer Angelpunkt des Kulturgeschehens, überaus passend in der Puchstraße ansässig.

Nun zurück zur Zentralperspektive. Mit den rasanten Pferden war der Mensch noch gut bedient, weil diese sensiblen und smarten Tiere von Natur aus sinnlich für jene Geschwindigkeiten bestens geeignet waren, die den Menschen noch eher überforderten. Was also dem Reiter im Beherrschen von Tempo noch mangeln konnte, das Pferd erweiterte des Menschen Möglichkeiten.



Ein Vorbote kompakter Automobile (Baujahr 1913)..

Mit der Geschwindigkeit von Automobilen mußten sich die Menschen dann selbst jene Kompetenzen im räumlichen Sehen und in der Einschätzung von Distanzen erarbeiten, die einen bei hoher Geschwindigkeit auf die Liste der bedrohten Arten setzen. Die Maschine nahm einem das nicht ab. Das schnelle Auto, eine Fluchtpunkt-Maschine. So übrigens der Titel eines legendären 1971er Road Movies mit Barry Newman in der Hauptrolle: „Vanishing Point“. Fluchtpunkt.

Weiterführend
+) Nagykanizsa: Durchlässige Grenzen (Eine Erkundung)
+) Vernunft und Obsession (Über die Endorphin-Maschine nachdenken)
+) Mythos Puch X (2025: Die Geschichte im größeren Zusammenhang)



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