In diesen Zusammenhängen sehe ich die Kraft der
Poesie wirksam. Eben weil Semantik nicht in Stein
gehauen ist, weil wir an den Beziehungen zwischen
dem Bezeichnenden und dem Bezeichneten rütteln
dürfen. So entstehen im besten Fall neue
Wahrnehmungserfahrungen, tun sich neue Erkenntnisse
auf.
Das etwa kann einem die Lyrik anbieten.
Das empfehlen uns experimentelle Texte. Aber Sie
können auch kleinen Kindern lauschen, wie sie mit
der Sprache spielen, was gelegentlich sehr schöne
Wortschöpfungen ergibt.
Dann wär da noch ein
Genre, von dem ich nicht gar so viel verstehe und
das mich stets mißtrauisch sein läßt. Die Propaganda
und ihre etwas nettere Schwester, die Werbung. In
diesen Disziplinen zählt eine Art der knappen
Präzision, die bei Menschen etwas bestimmtes
bewirken möchte. Wo die Lyrik ein freies Angebot für
nächste Wahrnehmungserfahrungen ist, zeigt sich der
Slogan als Hebeleisen, will die Losung zu
Verhaltensänderungen führen.
Ich habe keine Sympathie für Slogans,
wie das Teile des Kulturvölkchens in
einem überschaubaren Zeitfenster
mittlerweile forciert haben. Da meine
ich zum Beispiel,
„Ohne Kunst und
Kultur wird es still“. Das ist
ungefähr so smart wie die Mitteilung
„Das Wasser ist naß“, während ich
überzeugt bin: Die Kunst schweigt nie!
Nicht im KZ, nicht im Gulag, in keinem
Knast.
Neuerdings boomt in der
Steiermark:
„Kulturland retten!“
Weil wir uns am Rand des Untergangs
befinden? Das halte ich für eine frivole
Übertreibung angesichts der
Herausforderung durch eine nach rechts
gerückten Politik. Wir sollten uns
dieser Herausforderung stellen und
gewachsen zeigen, anstatt so einen
plakativen Alarmismus zu pflegen.
Ich kann mich auch dem Evergreen
„Nie wieder!“ keinesfalls anschließen.
Noch irritierender finde ich es, wenn
jemand verlautbart:
„Nie wieder
Krieg, nie wieder Faschismus!“ Was
soll das bedeuten? Der Krieg ist da, der
Faschismus ist zurück. Faktum.

Ein Posting von Gregor
Gysi.
Beides unter anderem dadurch
begünstigt, daß sich seit
den 1980er Jahren eine Neue
Rechte in Europa weitgehend
ungestört entwickeln,
entfalten und etablieren
durfte. Sie hat sich ganz
unverhüllt mit
Gleichgesinnten in Rußland
und in den USA verständigen
wie auch verbünden können.
Da durften rund 40 Jahre
ins Land gehen, ohne daß mir
meine Leute mit markanten
Gegenpositionen aufgefallen
wären. Ich erinnere mich
auch nicht, daß in meiner
Gegend Warnrufe etwas bewegt
hätten. In solchen
Zusammenhängen sehe ich
diesen neuen Faschismus gut
im Sattel sitzen, während
wir schon einen nächsten
Kalten Krieg haben.
Der gewaltsame Untergang
Jugoslawiens liegt noch
nicht gar so lange zurück,
da sehen wir diesseits des
Ural, also in Europa, den
nächsten heißen Krieg. Ich
hab daher keine Ahnung, was
jemand meint, wenn er oder
sie dieses „Nie wieder!“
raushaut. Vielleicht ist es
heute ein ähnlich räudiges
Versatzstück wie das Cogito
von Descartes; zu seiner
Zeit eine wuchtige Ansage,
aber heute ein etwas
verstaubtes Artefakt aus dem
Museum der
Menschheitsgeschichte.
+)
Stahlgewitter+)
Gedenken: Was zu tun!