28. Mai 2025

Form follows Function?


Diese dichten Wochen an Arbeit, um ein taugliches Statement für „Mythos Puch: Geist in der Maschine“ in eine Ausstellung zu packen. Nun diese Stunden, die Ausstellungsräume wieder frei zu machen. Da die vormalige K. K. Poststation in Privatbesitz ist und momentan keine weitere Veranstaltung ansteht, dürfen wir uns damit Zeit lassen.

Die Tage vor Ort führten zu etlichen Konsequenzen aus den Begegnungen und Gesprächen. Wie gut, daß ich in die Stille zurückkehren kann, um mich dem zu widmen. Eine dieser Konsequenzen ist das Nachdenken über Bosnien und Herzegowina, im Grunde exemplarisch für das Nachdenken über Europa. Genauer: „Das unruhige Europa“.


Derweil bestaune ich jene Kollegen und Kolleginnen, die sich via Social Media ein „Nie wieder!“ abringen. Ich staune, weil das nie weg war; dieser gewalttätige Zug zum Faschismus. Wir sollten uns ja eigentlich einem „Immer noch!“ stellen.

Das hieße auch: Selbst ins Handeln kommen, statt anderen etwas zuzurufen. So war das gemeint, als ich jüngst an der Seite von Regisseur Fritz Aigner betont habe: Vom „Du sollst!“ zum „Ich werde!“ [Quelle]

Wo immer derlei stattfinden mag, in meiner Umgebung nicht so sehr, eigentlich kaum. Aber das hab ich zu akzeptieren gelernt. Der Boulevard ist breiter geworden und man kann im Grunde niemanden gegen seine oder ihre Auffassungen erreichen.


Ich staune ja auch immer noch, wie großspurig sich allerhand Posen in meiner Branche zeigen, wo dann aber inhaltlich nicht viel kommt. Dazu der auffallende, vor allem auffallend süßelnde Superismus, mit dem neuerdings Leute in der „Szene“ gerne promotet werden.

Da wirkt der „wunderbare“ Sowieso, die „vielgeliebte“ Dingsda, der „unvergleichliche“ Irgendwer, die „großartige“ Trallala. Und besonders lustig, da verkündet jemand über seine eigene Arbeit, das Publikum sei „tief beeindruckt“ gewesen, es habe „aller Orten“ nicht weniger als „riesigen Applaus“ gegeben, auch einen „nicht enden wollenden Beifall“, während andernorts mit „Kunstgenuß“ gelockt wird; was immer das sein soll, ein „Kunstgenuß“. (Es ist eine vertaubte Spießer-Kategorie, die nichts Genaues bedeutet.)


Derartige Verschnöselung lese ich als einen Hinweis darauf, daß a) eine umfassende Ökonomisierung des Kulturbetriebs voranschreitet, die sich b) solch abgemackerter Prädikate bedienen muß, weil es c) offenbar an Schaffenskraft und intellektueller Selbstachtung mangelt, was d) den Boulevard weiter wachsen läßt. Seichter Werbe-Sprech statt klare Mitteilungen…

Ich muß demnach an meinem kulturpolitischen Separatismus festhalten, denn wenn jemand das „Kulturland retten“ möchte, wie „Die Szene“ fordert, dann unter anderem ganz gewiß vor solchen Schlampereien.

Ich glaube nicht daran, daß man mit wachsendem Geschnösel irgendwas Relevantes erreichen kann. Und das zählt, mit Verlaub, auch zum dringend nötigen Nachdenken über Europa, das ich eingangs erwähnt habe. Stellen Sie sich bloß vor, man müßte diese alte Formel „Form follows Function“ auf den heutigen Kulturbetrieb der Steiermark anwenden…

+) Kulturpolitik
+) Geist in der Maschine (Dokumentation)


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