Ich meine dieses dümmliche Gerede von der
„konstruktiven“ und „destruktiven“ Kritik. Das ist
schon allein in seinen Begriffen verräterisch und
eine Verfälschung des Begriffs. Ich werde vermutlich
als konstruktiv bewerten, was mich unterstützt, als
destruktiv, was mich verunsichert. Das sind für mich
Varianten von Sozialverhalten. Kritik ist was ganz
anders.
Ich kann etwas erst vergleichen, wenn
ich verschiedene Positionen kenne. Dann könnte ich
darlegen, weshalb ich diese Position bevorzuge und
jene ablehne. Das läßt anderen immer noch die Wahl,
sich meiner Ansicht eventuell nicht anzuschließen.
Schlampige Kritik, die eine Position als
relevant betont, der gegenüber alle anderen
bedeutungslos sein sollen, interessiert mich nicht.
Sowas geht in die Richtung von Definitionsmacht. Wo
aber Macht wirksam wird, hat die Erkenntnis keine
Chance.

Marktwert und künstlerischer Wert
bedingen einander nicht.
Macht hat nur einen Zweck: für jemanden Nutzen
zu generieren. Sie soll sich bezahlt machen.
Erkenntnis ist mit diesem Genre nicht vereinbar.
Ich hänge einem antiken Prinzip an: Erkenntnis
möge sich nicht bezahlt machen, sondern
erweisen. Das sehe ich wie den Unterschied
zwischen Grundlagenforschung und angewandten
Formen. Hier Erkenntnisgewinn, dort Vermarktung
und Return of Investment, danach auch Profit.
Ich halte solche Trennschärfe in der
Kunstpraxis ebenfalls für unverzichtbar. Was zu
relevanten Kunstwerken führt, ist eine Sache,
was sich am Markt bewährt, eine ganz andere.
(Ich gehe davon aus, daß Menschen, die sich für
Kunst interessieren, den Unterschied zwischen
materiellem und immateriellem Profit kennen.)

Das Nebulose braucht keine klaren
Begriffe.
Als Künstler bin ich an keinerlei Ketten
gebunden. Ich darf denken und tun, was mir
beliebt, was mir interessant erscheint. Doch
„Freiheit der Kunst“ deckt nur diesen Bereich.
Sie deckt nicht den Umstand, daß mein Denken und
Tun in Gemeinschaft Konsequenzen haben, denen
ich mich stellen muß. Kurz gesagt: die Freiheit
der Kunst bedeutet keine Freiheit von
Konsequenzen.
Man sollte kein Genie sein
müssen, um darin die Frage nach individueller
Verantwortung zu entdecken. Die aber muß sich
nicht in der Kunst einlösen, sondern in sozialen
Zusammenhängen. Für mich als Mitmensch, als
politisch anwesenden Menschen. Für mich als Mann
der Republik, welcher überlegt, was taugliche
Beiträge einzelner Personen sein können, um die
Demokratie zu stabilisieren.
Das hat aus
meiner Sicht vor allem einmal diese Bedingungen:
Gewaltverzicht und die Sorge um
Verteilungsgerechtigkeit. Aber das sind, wie
schon angedeutet, keine Agenda der Kunst,
sondern soziale und somit auch politische
Aufgabenstellungen. Es geht mir bei all dem um
einen weiten Horizont und darum, keine Angst vor
Widersprüchen zu haben.
+)
Leben in der Kunst+)
Kulturpolitik+)
Stahlgewitter