28. Juni 2025

Button-Kultur


Wir stecken uns Zeichen an, setzen Zeichen, hinterlassen Zeichen, um einander etwas mitzuteilen. Die Semiotik befaßt sich Zeichenprozessen in der Kultur und Natur gleichermaßen. Ich kenne ein Vergnügen, das sich allein schon aus dem Entdecken von Anordnungen ergibt, ohne sie entschlüsseln zu wollen. Ich denke, das ist auch ein Aspekt von Kunstbetrachtung.

Egal, wo ich hinsteige, ich sehe angeordnete Momente, die mir der Zufall baut. Ich nehme an, Jahrzehnte der intensiven Befassung mit Kunst und Kunstwerken (was ja zweierlei ist) forciert in einem die Befähigung zur Musterkennung. Muster und die Bedeutungszuweisungen. So werden Annahmen über die Welt formiert. (Vielleicht entstehen Muster auch erst über die Bedeutungszuweisungen.)



Die Warnung ist klar?

Wir Menschen tun das natürlich ständig. Aber es läßt sich auf eine Art entwickeln, die sich in manchen Bereichen zunehmend stark von Fragen der Alltagsbewältigung oder überhaupt vom Notwendigen ablöst. Über Diskurse läßt sich das dann zum Beispiel in die Mitte menschlicher Gemeinschaft zurückführen.

Das kommt derzeit bei mir auch zum Tragen, wo ich mich erneut stärker mit dem Themenkomplex Männerkultur, Gewalttätigkeit und Faschismus befasse. Vor dem Hintergrund, daß es Jahre gab, da schien mir, in Österreich habe sich eine Netzkulturszene herauskristallisiert, die einigermaßen Klarheit biete, was Gegenwartskunst von Voluntary Arts unterscheide. Ich dachte, diese sei bezüglich kritischer Diskurse mit einigen nachvollziehbaren Kriterien ausgestattet.



Wie und wo kommt man aus Schwierigkeiten raus?

Nun sehe ich, das trifft auf die Kunst keineswegs verläßlich zu, auch nicht auf einige politische Debatten. Und im Web ist die Hölle los. Bevor Österreich in das TCP/IP eingebunden wurde, bevor es für uns ein World Wide Web gab, hatten wir in Newsgroups schon geübt, wie man die Arbeit an Themen entwickelt und wie man dabei Trolle abwehrt. Rund um 1990 wurden wir immer wieder mit Leuten konfrontiert, die online bloß damit befaßt waren, andere Leute zu beschimpfen, zu provozieren und Gruppen zu sprengen.

Hatte ein Admin so eine Kanaille blockiert, brachte sich der Aufdringling oft mit einer Fake-Identität erneut ins Spiel. Ich sehe diese emotionalen Querschläge als eine milde Variante im Spektrum menschlicher Gemeinschaft, worin Graz gerade das andere Extrem erlebt hat: Den Massenmörder, der mit seiner Glock und seiner Schrotflinte eine Schulgemeinschaft sprengt. Es ist derselbe Groove in verschiedenen Härtegraden.



Wer den Kontext kennt, versteht die Botschaft.

Da wie dort offenbar sich uns dasselbe Grundmotiv: Die Kanaille spürt sich selbst anscheinend erst dann hinreichend, wenn sie andere Menschen belagern, angreifen und verletzen kann. Das sehe ich in einer milderen Version bei jenen Figuren, die etwa via Facebook eigentlich nichts zu sagen haben außer das: Sie plustern sich auf, promoten sich selbst. Sie hauen gegenüber Andersdenkenden diffamierende Kommentare raus. Sie rechtfertigen ihre Webpräsenz hauptsächlich mit dem Liken sowie Teilen jener Inhalte, die von anderen Leuten produziert wurden.

Das heißt, solche oft von Weltekel und Menschenverachtung überquellende Figuren strampeln sich als Lakaien und Wasserträger von wem auch immer ab, bedürfen des Einfallsreichtums anderer Polemiker, um überhaupt einen Grund anbieten zu können, weshalb sie sich in den Social Media hervortun, denn ihre innere Leere ist ja nicht kommunizierbar. Dafür kann man sich eine Meinung anstecken, eine Mitteilung, dir bloß ein flacher Knopf ist, ein Button. Nichts dahinter außer die geschwellte Brust jener Person, die sich diesen Button angesteckt hat. [Fortsetzung folgt!]

+) Politik (Eine Debatte)
+) Siehe dazu auch: „Mars“ (Über den Krieg)

Postskriptum
Der Pin, den ich auf dem dritten Foto in den Fingern hab, sagt einem Insider, daß ich zu jenem kleinen Kreis von Personen gehöre, die ein Unikat gefahren haben, das Concept-Automobil Magna Mila.


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