19. Juli 2025

Der fehlende Diskurs


Man mag sich an allerhand Berichte darüber erinnern, welche Protestveranstaltungen Graz kürzlich erlebt hat, da Kunstschaffende sich an einer kulturpolitischen Periode stoßen, welche von einem Landeshauptmann aus den Reihen der FPÖ mit einem Landeskulturreferenten aus den Reihen der ÖVP geprägt wird.

Dazu der – wie ich meine – beunruhigend alarmistische Slogan „Kulturland retten“. Ich halte es für einen Ausdruck mangelnder intellektueller Selbstachtung, den kulturellen Untergang der Steiermark an die Wand zu malen, statt sich der Herausforderung von rechts zu stellen. Wie stellen? Darauf komme ich gleich.



Reicht es noch für Butter auf dem Brot oder auch für etwas mehr?

Selbstverständlich ist eine blauschwarze Koalition erwartungsgemäß eher rechtskonservativ einzuordnen. Was sonst? Hinzu kommt, daß nach den Corona-Jahren nur ein Agent der Blödheit annehmen kann, wir kämen um erhebliche Einbußen an Ressourcen und Wohlstand herum. Hätten wir uns auf all das inhaltlich und strategisch vorbereiten können? Gewiß!

Was haben wir zwischen 2008 und 2010 erlebt? Damals trafen Kürzungen im Kielwasser der Weltwirtschaftskrise zuerst den Sozialbereich, dann die Kultur. Nach der Corona-Krise scheint es umgekehrt gekommen zu sein, es traf erst erkennbar die Kultur, dann den Sozialbereich.

Aber ich vermute, das ergab sich bloß aus dem Arbeitstempo der Verwaltung, also daher, welcher Bereich zuerst nächste Entscheidungen zustande gebracht hatte. Wie auch immer, ich dachte, wenn unserem Metier das Dach brennt, würden wir in einer auffallenden Konzentration mit einem kulturpolitischen Diskurs ernst machen. Und zwar einen öffentlichen Diskurs.



Der 2025er Kampagnen-Slogan.

Damit meine ich, diesen Diskurs öffentlich zu führen, um klar zu machen, wovon genau unser Metier handelt, was die Bedingungen sind und der Bedarf ist, um Vorschläge vorzubringen, wie das in der Kooperation mit der öffentlichen Hand geregelt werden könne. Wir sind dir primären Kräfte, die Sachpromotoren, hier sollte das Schwergewicht von Definitionsmacht sein.

Ich halte in genau diesem Zusammenhang den Begriff Förderung für antiquiert. Wenn ich für ein Vorhaben die Zusammenarbeit mit Stadt oder Land erreiche, dazu einen „Fördervertrag“ unterschreibe, in dem die Ziele und die Schritte dahin genau definiert sind, werde ich nicht „gefördert“, sondern wir haben einen Deal. Und zwar einen Deal, in dem die Beteiligten verschiedene Ressourcen einbringen: Geld, Arbeitszeit, Kompetenzen…

Ich hätte einen neuen Sachdiskurs erwartet, damit es nicht bloß bei Protestakten bleibt. Verkünden, statt begründen, das ist mir viel zu wenig. Ich habe jüngst zwei Themenleisten aufgemacht, um etwas zu so einem öffentlichen Diskurs beizutragen.
a) Mars (Zu Krieg und Faschismus)
b) Hurra, wir sind Bachmann! (Zum sterischen Literaturbetrieb)



(Quelle: Kleine Zeitung)

Weil ich meine, daß wir in Europa längst mit einem aktualisierten Faschismus konfrontiert sind, der unsere Freiheiten bedroht. Und weil ich sehe, wie sehr unter anderem die aktuelle Mediensituation im Rahmen der Vierten Industriellen Revolution den Literaturbetrieb nicht bloß radikal verändert, sondern auch schwer belastet hat.

Bisher kann ich nicht feststellen, daß sich Kunstschaffende bei mir oder sonst wo eine auffallende Diskursteilnahme zu diesen großen Themen gönnen. Das finde ich mehr als beunruhigend.

+) Hurra, wir sind Bachmann! (Eine Debatte)


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