Das nannte man in der Antike
Otium: Muße; als das
Gegenteil von
Negotium: Arbeit. Fällt Ihnen etwas
auf? Der Begriff für Muße lautete also keineswegs
„Nichtarbeit“, sondern die Arbeit war
„Nichtmuße“.
Dann wäre da diese zeitlose Behauptung:
„Müßiggang
ist aller Laster Anfang“.Ein Beispiel
Franz Gsellmann war ein oststeirischer Bauer, der
die „Weltmaschine“ gebaut hat. Eine komplexe
Apparatur ohne praktischen Nutzen für den Alltag.
Das war in der alten agrarischen Welt insofern
radikal, als es für Müßiggang in solchem Umfang
eigentlich keinen Platz gab.
Aus ethischen
und aus rationalen Gründen, denn die meist kleinen
Selbstversorger-Wirtschaften der Oststeiermark
brauchten jede verfügbare Arbeitskraft, um die
Familie durchs Jahr zu bringen. Als ich mich einmal
mit Gsellmanns Schwiegertochter Maria unterhalten
konnte, sprach ich das an.

Sie erwähnte:
„Was habe ich in meinem Leben
gearbeitet und mich gefürchtet.“ Das bedeutet,
sie habe sich viele Sorgen gemacht. Ich sagte
fragend:
„Und wer sich nicht geschunden hat, hat
nichts gegolten.“ Maria Gsellmann darauf:
„Wer sich nicht geschunden hat, hatte nichts zu
essen.“ „Im Nebenerwerb?“ fragte ich.
„Nein, alles im Vollerwerb“, antwortete sie. „Es hat
hier ja sonst keine Arbeit gegeben.“
Solches Arbeitsethos hat eine seiner Wurzeln in der
Renaissance, als eifrige Sekretäre ihren Fürsten
kleine Denkschriften verfaßten, in denen Vorschläge
standen, wie man das Volk bewegen könne, mehr zu
arbeiten als unbedingt nötig sei.
Der
Zusammenhang ist so klar, daß er einem mitunter
nicht auffällt. Erst mit einer tauglichen
Geldwirtschaft und einem funktionierenden
Bankenwesen wurde es möglich, Arbeitsleistung in ein
Medium zu konvertieren, sie zu „parken“, ein
Vermögen aufzubauen. Dieses Medium (Geld) konnte
dann, wenn man so wollte, wieder in andere Formen
konvertiert werden, in materielle oder immaterielle
Güter; wahlweise kann Geld Geld verdienen.

Das war damals neu. Davor ließen sich Schätze nur
beschränkt aufhäufen, mußten gelagert, gesichert und
bewacht werden. Ursprünglich hatten Gemeinschaften
nur wenige Möglichkeiten, Erworbenes oder Erbeutetes
zu konservieren. Da wurde dann so mancher Mehrwert
in Gemeinschaft rituell verbraucht. Es gab bei
verschiedenen Ethnien ausgeprägte
Verschwendungs-Ökonomien und Geschenk-Kulturen.
Blickt man weiter zurück, findet man im zweiten
Brief des Paulus an die Thessalonicher eine
„Zurechtweisung der Müßiggänger“. Da heißt es:
„Denn als wir bei euch waren, haben wir euch die
Regel eingeprägt: Wer nicht arbeiten will, soll auch
nicht essen.“ [2
.
Thess 3,10] (Wäre interessant, das auf mit Blick
auf den Wanderprediger Jesus zu erörtern.)
All das läßt aktuell daran denken, daß stets neu zu
klären wäre: a) Was verstehen wir unter Arbeit? b)
Wie steht es bei der vorliegenden Produktivität
unserer Gesellschaft um Verteilungsgerechtigkeit?