Der kurze Sommer des Automobils / Seite 44

Ledwinka

Es hat sich nun langsam herumgesprochen, daß selbst Ferdinand Porsche seinem Kollegen Hans Ledwinka Referenz erwiesen hat. Beide Konstrukteure stehen für eine Ära, in der wesentliche Grundlagen des modernen Automobils entwickelt wurden.

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Form folgt Funktion, was erstaunliche ästhetische Qualitäten abwirft

In deren Tagen wurden die Dinge schon einigermaßen gründlich dokumentiert. Das war nicht immer so. Wir brauchen heute wenigstens nicht mehr zu streiten, ob denn nun Marcus vor Benz Wesentlicheres entwickelt habe oder umgekehrt.

Naja, mich sticht da immer noch genau der Hafer, den die Pferde damals in Massen verputzt haben. Aus meiner Sicht kann ist kaum zu übersehen, daß Daimler mit einer motorisierten Kutsche reüssiert hat und Benz mit einem etwas verstärkten, motorisierten Fahrrad (Tricycle).

Marcus hat dagegen als Erster eine eigenständige Automobilkonstruktion auf die Räder gestellt und mit ein paar bemerkenswerten Komponenten versehen. Gut, zugegeben, ich schweife erheblich ab! Jüngst habe ich interessante Denkanstöße erhalten, worauf zu achten sei, wenn man sich frühe Entwicklungsstufen eines Fahrzeuges ansieht. Ich war anläßlich eines Vortrags zu Gast im Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der Technischen Universität Graz [link]

Apropos Hafer! Das große Pferdesterben aufgrund von Mißernten nach dem Ausbruch des Vulkans Tambora hatte die technischen Entwicklungen in Europa enorm angeschoben; zumal die Entwicklung der Dampfmaschinen; siehe dazu: "Herr Turner und die Temeraire" [link] Wir leben seit diesen rund 200 Jahren in einer permanenten technischen Revolution. Darin spielt das Automobil eine herausragende Rolle.

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Institutsleiter Helmut Eichlseder (links) und der Vortragende Günther Nagenkögl

Günther Nagenkögl, selbst Konstrukteur und vormals unter anderem für die Steyr-Daimler-Puch AG tätig, hielt an der TU Graz einen Vortrag über Leben und Werk von Hans Ledwinka sowie seinen Sohn Erich. Es lohnt sich, einem erfahrenen Techniker zuzuhören, welche Besonderheiten man am Werk von Hans und Erich Ledwinka feststellen kann, denn das führt in Zusammenhänge, die einem nicht alle Tage erläutert werden.

Nagenkögl gehört der Redtenbacher Gesellschaft Steyr (Verein zur Förderung transdisziplinären Denkens in Wissenschaft und Praxis) [link] an. Das enthält einen sehr interessanten Punkt. Die Verzahnung von Theoriearbeit und Praxis, quasi die Verknüpfung von Reflexion und Aktion.

Ich könnte nicht behaupten, alles verstanden zu haben, was da zur Sprache kam. Aber selbst in den Passagen, die sich mir nicht erschlossen, war für mich der spezielle Blickwinkel der Betrachtungen sehr interessant.

Nagenkögl erläuterte etliche der Grundlagen, die Hans Ledwinka entwickelt hat und die in ihren Prinzipien im Autobau teilweise bis heute präsent sind. Er betonte auch jene Besonderheit, über die wir heute nicht mehr nachzudenken belieben: Massenproduktion ist ein kniffliges Thema.

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Gewissermaßen zwei Handschriften, links Ledwinka, rechts Porsche

Bis zum Zweiten Weltkrieg war es nicht gelungen, Autos anzubieten, welche sich etwa jene Arbeiter, die sie gebaut haben, auch leisten konnten. Wie treffen sich denn nun hohe Stückzahlen und attraktiver Preise bei einem ausreichend standfesten Fahrzeug, das einem nicht nach kurzer Zeit auseinanderfällt, wenn es mit zu wenig Leistung durch die Gegend holpert?

Da liegt eben eine sehr wesentliche Aufgabe für den Konstrukteur bereit. Nagenkögl zeigt mit dem Vergleich verschiedener Motoren von Ledwinka und Porsche, worauf es dabei ankommen.

Eine möglichst kompakte Konstruktion, die mit preiswerten Teilen machbar ist, zu einem gut aufgeräumten Motorraum führt, in dem eine wartungsfreundlich ausgeführte Maschine wirkt, deren Lebensdauer niemanden in Verzweiflung stürzt... Darin war Ledwinka offenbar herausragend.

Das sind dann aber genau jene Qualitäten eines Automobils, die einem der bloße Augenschein natürlich nicht offenbart. Das möge einem erläutert werden. Außerdem muß man passabel gerüstet sein, um die Konstruktionsdetails von Motoren in den Rißzeichnungen zu erkennen und angemessen zu deuten.

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Ledwinka hatte sich schon bei Tatra bemüht, einen preiswerten Kleinwagen zu entwickeln, denn a) individueller Autobesitz und b) völlige Unabhängigkeit in der Wahl von Fahrzeiten und Fahrzielen waren seit Beginn der Motorisierung, also seit dem späten 19. Jahrhundert, soziale Statements von wachsender Brisanz.

Sohn Erich Ledwinka, mit den Kompetenzen seines Vaters gut vertraut, wurde schließlich im Grazer Puchwerk zum verantwortlichen Techniker, in dessen Zeit jenes Puch-Schammerl auf den Markt kam, dessen 60-jähriges Jubiläum wir heuer feiern; übrigens zum 75 Jahr der Eröffnung des Werkes Graz-Thondorf.

Das macht sich so beachtlich an dieser Geschichte. Die große Kontinuität einer Entwicklung, welche im Tun eines der bedeutendsten Konstrukteure unserer Automobilgeschichte begründet ist, was zu Wirkungen führte, die bis heute in Graz darstellbar sind.

1957 bis 2017
60 Jahre Steyr-Puch 500
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