Log #15

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Winfried Kuckenberger (Büro für Kultur & Marketing, links) und
Gunter Schabl (Direktor der Musikschule Gleisdorfs).

Wir hatten im Laufe der Projektentwicklung vereinbart, rund um das "Hauptprogramm", das heuer in das Festival "steirischer herbst" führt, ein Rahmenprogramm aufzublättern, bei dem Kulturschaffende vor Ort andocken können. Aus dem einfachen Grund, weil man, wenn die Politik einen Schwerpunkt setzt und Gelder konzentriert, derweil all jenen, die sich gerade nicht im Zentrum des Geschehens finden, etwas anbieten muß.

Es geht vor allem darum, die Kontinuität des Engagements der Menschen, die rund ums Jahr tätig sind, nicht zu trüben. Das verlangt nach ergänzenden Angeboten.

Sei es, daß sie sich rund um das zentrale Vorhaben mit ihren Ideen einbringen können, sei es, daß man ihnen einen weiteren Themenschwerpunkt in Aussicht stellt, auf den sie sich früh genug vorbereiten können. Davon würde eine Kulturpolitik handeln, die eben NICHT bloß den Zufall verwaltet, sondern planend vorgeht und ihre Entscheidungen zeitgerecht nach außen kommuniziert.

So entwickelt es sich in Gleisdorf zur Zeit. Gunter Schabl (oben), Direktor der Musikschule, hat schon eine Reihe von Ideen, wie er mit seinen Leuten das Thema "Liebe" aufgreifen möchte.

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Gerlinde Math (links) und Gertrude Grosseger, Lehrerinnen der Hauptschule I in Gleisdorf, beginnen eben, die Arbeit an diesem Thema für den Schulbereich zu entwerfen, auch zu überlegen, auf welche Art das dann mit anderen Aktivitäten verbunden werden kann.

Wir werden am 6. März einen Informationsabend anbieten [link], wo für derlei Andocken zum "Rahmenprogramm" Details und Hilfestellungen dargelegt werden. Die Auftaktveranstaltung des "Hauptprogrammes" ist, wie erwähnt, schon fixiert: [link]

Begleitend gibt es im Gleisdorfer "Stadtjournal" (monatlich), in der "Gleisdorfer Woche" und der "Weizer Zeitung" (wöchentlich) regelmäßig Berichte über das Jahresvorhaben: [link] So ist Transparenz geboten, die hier, in diesem Projekt-Logbuch, bis in Details reicht. Ich hab eben nachgesehen, der erste Eintrag im Entwicklungsprozeß dieses Projektes stammt aus der 43. Kalenderwoche 2005: [link]

Cut!

Die Stadt Gleisdorf hat mir eben einige Info-Passagen in die slowenische Sprache übersetzen lassen: [link]

Cut!

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Der Weizer Künstler Walter Kratner hat sich auch der Überlegung gewidmet, daß man sich vom "Denkmodell Zentrum / Provinz" eigentlich längst verabschieden sollte. Zugleich weiß und betont er, daß mit der Änderung von Sprachregelungen noch keine Veränderungen der Verhältnisse erledigt sind. Kratner:

>>Heute reden High-Tech-Propheten vom Zeitalter des "Global-Village", einem Welt-Zustand, in dem räumliche und zeitliche Barrieren nicht mehr existieren und sich jeder unabhängig von seiner Position austauschen, sowie Informationen und Kulturprodukte abspeichern kann -- wo sich materieller Lebensraum und virtuelle Aktivitäten vermischen. Das "Netz" ist ein dezentrales Konstrukt mit vielen Knotenpunkten ohne Mittelpunkt.

Die alte Dichtonomie zwischen Stadt und Land habe sich in der Mediengesellschaft aufgelöst -- die historisch aufgeladene Kategorie "Provinz" wird geschäfts- und tourismusfreundlich durch das redlichere Wort "Region" ersetzt. Die "neue Offenheit" (ohne profithemmende soziokulturelle Diskriminierung) wünscht nur das "password" und eine gültige Kreditkarte.

Aber ist deswegen schon Thomas Bernhards Physignomie der Provinz verschwunden, der in seiner Erzählung "Frost" die Reise eines Städters in eine dunkle Gebirgsschlucht schildert? Oder sind Claude Chabrols Filme über die französische Provinz so heute nicht mehr denkbar?<<

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Wie wichtig der kritische und vor allem öffentliche Diskurs solcher Fragen ist, illustriert zum Beispiel die Tour der steirischen Landeshauptleute (oben: Franz Voves), in deren Rahmen ich mir eben erklären ließ, was es mit dem Vorhaben "regionext" auf sich habe: [link]

Cut!

RegionalENTWICKLUNG. Das ist ein Thema, bei dem die Fragen nach Geschwindigkeit, Ungleichzeitigkeit, Resonanzen, Dissonanzen und Interferenzen einiges Gewicht haben. Ich hatte ein Weilchen im Kuratorium "Leben / Kunst / Geschwindigkeit" [link] mitgearbeitet und da schon solche Überlegungen bearbeitet. Nun bin ich in einem Interview mit dem Gleisdorfer Walter Kurtz auf eine sehr anregende Variante des Themas gestoßen.

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Kurtz war Jahrzehnte praktischer Arzt in Gleisdorf und ist übrigens der Vater des Arztes, bei dem wir die Ausstellung "Nobody Want’s To Be Nobody" realisieren werden. (Siehe den vorigen Eintrag!) Hier ein Ausschnitt aus den Aufzeichnungen zu unserem Gespräch:

>>"Ich wollte auch einen Kompetenzgewinn für den besseren Umgang mit Patienten." Was zur Folge hatte, daß er Betrieb und Tempo in seiner Ordination verminderte. "Ich bin immer 'langsamer' geworden, hab an den Menschen in meiner Sprechstunde jetzt so viel gesehen, was ich vorher nicht wahrgenommen hab. Das ist natürlich für meine Damen draußen ein Problem geworden, wenn drinnen nichts weitergeht und das Wartezimmer ist voll."

Sein Fazit: "Also hab ich ein Limit gesetzt, wie viele Patienten pro Tag zu mir kommen können. Dann bin ich draufgekommen, daß ich an manchen Tagen sehr gut vorankomme, an anderen Tagen aber so 'zäh' bin und viel länger brauche, um zu sehen, was mit jemandem los ist. Da hab ich dann zu meinen Damen gesagt, es sollen nur so viele Patienten herein, wie ich an einem solchen zähen Tag schaffe." Wenn es dann dennoch schneller ginge, würde einem ohnehin nicht langweilig. "Es ist bald in Gleisdorf viel gebaut worden, vor allem sind von Graz Menschen hergezogen. Da hab ich gesagt, ich nehme überhaupt keine neuen Patienten mehr auf."

Auf Nachfrage meinte Walter: "Es war aber nicht so, daß ich auf die Bremse gestiegen wäre. Ich bin nur vom Gas weggegangen." Dieses Zurücknehmen handelte davon, "daß ich für mich etwas gewonnen hab, vieles gelernt, was nicht in den Lehrbüchern steht. Die Langsamkeit macht es möglich, Sachen auf eine andere Weise zu erkennen."<<


resethome
8•07