Log #104Bei der
"Künstlerbegegnung" mit den Leuten aus dem Kosovo [Doku] in Ludersdorf habe
ich noch so einige Überraschungen erlebt. Die brisante Vergangenheit der Kosovaren ist
eine brisante Gegenwart. Durchaus von erheblichen Ressentiments gegenüber
serbisch-stämmigen Leuten getragen.
Aber diese Ressentiments haben ihre Vorboten in anderen Verstrickungen, zum Beispiel in
den allgegenwärtigen Witzen und kleinen Sticheleien; erstens zwischen hier Christen und
da Muslimen, zweitens dann aber noch einmal extra gegenüber dem einzelnen Angehörigen
der türkischen Minderheit. Das Kosovo ist also ein Terrain von SEHR komplizierten
Verhältnissen.
Eine wichtige Lektion für mich, die mir kurze Zeit darauf in einem anderen
Zusammenhang bekräftigt wurde. Ich hatte im "Museum im Rathaus" zu einem
"Round Table" Kulturschaffender gebeten. Eine Gesprächsrunde sehr
unterschiedlicher Leute, die -- entsprechend kontrastreich -- ganz verschiedene Instanzen
des kulturellen Lebens in der Region repräsentieren.
Michaela Zingerle, hier neben Winfried Kuckenberger vom Gleisdorfer "Büro für
Kultur und Marketing", schilderte im Zusammenhang mit ihrem Projekt "styrian summer art" ihre
Erfahrungen mit Frauen aus verschiedenen Ländern der arabischen Welt.
Unterm Strich läßt sich zusammenfassen, daß wir, bei allem geneigten Engagement,
stets in Gefahr sind, zu sehr von unseren eigenen Vorstellungen auszugehen, wenn wir
Gäste aus anderen Kulturen empfangen. Wenn wir also weiterhin auf offenen Rändern und
Austausch als einer wichtigen Qualität unseres eigenen kulturellen Lebens bestehen,
werden wir dabei noch achtsamer werden müssen und mehr praktische Erfahrungen brauchen.
Dieser "Round Table" Kulturschaffender war für mich übrigens ein wichtiger
Auftakt im Rahmen des neuen "Labors" bei "kunst O.ST", wo es mir darum geht,
Arbeitsansätze und Wege zu erproben, die auf breiterer Ebene nicht bearbeitbar sind.
Die aktuelle Orientierung in diesen Zusammenhängen konnte ich anläßlich des
"LEADER Kultur-Treffen" am 21.11.2008 im Grazer "Kunsthaus"
Funktionstragenden von verschiedenen steirischen Leader-Region vortragen, woraus sich
einige sehr interessante Gespräche und Kontakte ergeben haben.
Dieser Arbeitsansatz steht für mich übrigens in der Tradition der "Konferenz der Provinz".
Ein kurioses Detail liegt darin, daß die "KdP" sich seinerzeit im Bezugsfeld
einer Landesausstellung entfaltet hat ("Energie", 2001 in Weiz und Gleisdorf),
der jetzige Ansatz sich im Umfeld der "regionale 08" zeigt, von der die Reihe steirischer
Landesausstellungen nun abgelöst wurde.
Das aktuelle Plenartreffen von "kunst O.ST", diesmal in Wünschendorf, hat dagegen gezeigt, daß
eine Mehrzahl der Kunstschaffenden an den Möglichkeiten interessiert sind, das eigene
künstlerische Tun in einen größeren Zusammenhang zu bringen. Kulturpolitische
Fragestellungen oder solche der Regionalentwicklung lassen sich hier dagegen mehrheitlich
NICHT etablieren.
Das bescheidene Problem an dieser Tendenz: Wer in diesen Bereichen wenig Aussicht auf
einen künstlerischen Rang hat, der über die Region wesentlich hinausgeht, wird eine
Verbesserung seiner Bedingungen vermutlich NUR über eine soziokulturelle Themenstellung
erreichen können, aber nicht über den Anspruch, als KünstlerIn mehr Mittel zur
Verfügung zu erhalten.
Da liegt also ein Dilemma vor, daß sich entweder breiter bearbeiten läßt, oder ein
wesentlicher Teil der Kunstschaffenden wird innerhalb der Region darauf angewiesen
bleiben, stets neu hinter Geldern herzurennen, um einzelne Kunstpräsenzen realisieren zu
können.
Doch Politik und Verwaltung haben uns schon klar signalisiert, daß Partikularismus und
Eigeninteresse die schlechtesten Aussichten auf Förderung mit öffentlichen Mitteln
haben. Siehe dazu auf jeden Fall den Input von Leader-Boss Gerald Gigler:
"Sechs Punkte zum Kulturgeschehen"
Apropos Rennerei! Innerhalb dieser Mauern (rechts) in Weiz hat da gerade der
"Lenkungsausschuß" der (Leader-) Energie-Region Weiz-Gleisdorf getagt und dabei
unter anderem einen Projektvorschlag von mir angenommen, der über das schon erwähnte
"Labor" von
kunst O.ST in Gang kommen soll. Damit ist nun vermutlich der Ansatz für einen
Ebenenwechsel in einigen kulturellen Vorhaben abseits des Landeszentrums gegeben.