log #129: kunst o.st

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Eröffnung. Der Bürgermeister. Keineswegs eine Standard-Eröffnungsgerede, sondern ein sehr persönlich gehaltenes Statement zu dieser Kunst-Sache, welches den ausdrücklichen Wunsch enthalten hat: "Ich hoffe, es wird auch ein viertes Festival geben." Denn dies ist die "3von3". (Auf Helmut Kienreich werde ich hier noch zurückkommen.) Die dritte von drei geplanten Stationen einer losen Gemeinschaft in der Region:

+) „1von3" = „next code: flow"
+) „2von3" = „pomale"
+) „3von3" = „auf.draht"

Das Ausloten der gesamt vorhanden Intentionen, Vorhaben und Möglichkeiten. Eine vorläufige Bestandsaufnahme hat das auf jeden Fall ergeben. Grenzen und Perspektiven erscheinen nun deutlicher als davor.

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Am 17. April ist also der Weizer Schwerpunkt des Festivals eröffnet worden. Diesen Teil hat Walter Köstenbauer konzipiert und umgesetzt. Eine schwierige Situation in einer kniffligen Topographie. Zwei Fixpunkte des Kunstgeschehens mit "Indoor-Lösungen", die Musikschule und das Kunsthaus, dazwischen Wegstrecken und eine verschlungene Linie von Schaufenstern, die zu bespielen waren.

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Auf dem Weg zur Vernissage diese Weizer Besonderheit, Konsequenz eines innerstädtischen Industriestandortes, aus heutiger Sicht völlig anachronistisch, wenn man über Stadtentwicklung nachdenkt, zugleich aber für mich ein wuchtiges sozialgeschichtliches Ereignis.

Auf diesem Weg werden durch die Kapruner Generatorstraße Schwertransporte abgewickelt, um die Elin-Werke mit Material zu versorgen und fertige Transformatoren aus der Stadt zu schaffen.

Das ist durchaus erwähnenswert, weil Kunstschaffende ab und zu gerne vergessen, welche sozialen Voraussetzungen das Leben in künstlerischer Praxis hat. So man nämlich das Leben eines Eremiten eher meidet, der eventuell eine Höhle bewohnt, Gras und Würmer frißt, bleibt die Kunstproduktion auf ein Mindestmaß an Wohlstand angewiesen.

Da fehlt aber noch die Publikumsseite und jene von möglicher Käuferschaft, wohin Kunstwerke angeboten werden können. Bloß zur Rezeption oder auch zum Kauf. Sehen Sie den Zusammenhang?

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Orte der Kunstvermittlung, Zeit und Muße für ästhetische Erfahrung und ein wenig "Mehrwert", um gelegentlich ein Kunstwerk kaufen zu können, setzen eine ökonomische und soziale Entwicklung voraus, die Menschen dazu befähigt.

Das steht also implizit am Beginn dieses Kunstfestivals zumindest als Fußnote da, wie die oben gezeigte Lokomotive mitten in der Stadt, tonnenschwerer Ausdruck einer wirtschaftlichen Entwicklung, ohne die Leute meiner Herkunft keinen Zugang zur Kunst und zu Kunstwerken erhalten hätten.

Und das ist ein wichtiger Punkt, wenn ich an die Stadt Weiz denke, eine Industriestadt, von einer sozialdemokratischen Geschichte geprägt. Das bedeutet, ursprünglich von (historisch betrachtet) gesellschafts- und bildungspolitischen Idealen getragen, in denen genau das eine große Bedeutung hat: Gewinn an Reflexionsvermögen, Emanzipation gegenüber den "alten Eliten", die sich einst Bildung und Kunstgenuß vorbehalten haben, während der Rest der Bevölkerung sehen konnte, was sich nach einem langen Arbeitstag noch ausgeht.

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Wenn also Bürgermeister Helmut Kienreich an diesem Abend die Vernetzungsarbeit Kulturschaffender, dieses gemeinsame Auftreten und längerfristige Entwickeln von kulturellen Vorhaben ausdrücklich begrüßt hat, dann möchte ich es von ihm in dieser sozialdemokratischen Tradition gedacht verstehen. Als eine Betonung, das ein reges geistiges Klima eben AUCH auf ein zeitgemäßes Kunstgeschehen angewiesen ist.

Aber das ergibt und ereignet sich nicht von selbst. Es wird auch nicht "vom Staat" oder einer anderer Institution herbeigeführt, weil die, wie manche gerne herbeten, "einen Kulturauftrag" hätten. Das entsteht erst, wenn zwischen den drei Sektoren (Staat, Markt und Zivilgesellschaft) eine Verständigung gelingt und folglich Kooperationen zustande kommen. Das ist eines der soziokulturellen Themen, denen "kunst O.ST" im Kern gewidmet wurde.

[kunst o.st: übersicht]


coreresethome
17•09