log #160: slow motion

Nach den inzwischen schon zahlreichen Debatten, was denn eigentlich Kunst sei, und nach dem "1. LEADER Kultur – Vernetzungstreffen" [link] ist nun für mich klar, daß dieser Aspekt auszubauen bleibt: Antworten finden.

Damit meine ich, daß hier eine Art kleine VIRTUELLE Handbibliothek zum Thema entsteht, über ein relevantes Wissensfundament verfügbar wird: [link]

Ich hab im vorigen Eintrag ein Büchlein über die Kunst der Renaissance empfohlen: [link] Damals haben sich das Sehen und das Denken der Menschen völlig verändert.

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In den Bildern und in anderen Bereichen hat sich die "Zentralperspektive" durchgesetzt, die Kunst wurde zunehmend nicht mehr als ein "Auftrag Gottes" gesehen, sondern erhielt im Verständnis der Menschen zunehmen den Auftrag aus sich selbst.

Es gibt dazu einen interessanten Kontrast, den zu beachten sich lohnt. Diese kleine und preiswerte Einführung von Helmut Fischer in "Die Welt der Ikonen" hat einen doppelten Nutzen.

Einerseits begreift man dadurch leicht, was auch in unserer "westlichen Sphäre" die Bildwelten bestimmt hat, bevor diese "Prophanisierung" der Renaissance sich durchsetzte. Das berührt grundlegende Prinzipien der Abstraktion, den all diese Werke waren nicht gedacht, um die Welt abzubilden, sie "repräsentierten" etwas, das der Mensch im "realen Leben" nicht sehen konnte.

Andrerseits liefert einem diese Lektüre interessante Denkanstöße zum Verständnis dessen, was wir landläufig gerne unter "Der Osten" verstehen. Hier gewissermaßen die Welt der Orthodoxie als spirituelles und ästhetisches Phänomen.

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Das hilft einem auch beim Nachdenken über "Europa" etwas auf die Sprünge. Denn "Ostrom" war ja noch legitimes Imperium Romanum, als Westrom längst von den Barbaren überrannt gewesen ist.

Was wir später als "Osteuropa" verstanden, korrespondiert territorial in sehr großem Ausmaß mit der vormals "oströmischen Reichshälfte". Das mag helfen nicht zu übersehen, daß meist "Die Kunst", wie wir sie verstehen, etwas ist, was gemäß einem "westlichen Kunstkanon" als "Kunst" ausgewiesen wurde.

Das, genau das, wird aber von vielen Menschen "im Osten" keineswegs so gesehen und als selbstverständlich angenommen. Beachtet man außerdem derart maßgebliche Einflüsse wie die von Kasimir Malewitsch [link] und anderen slawischen Größen, liegt es nahe, deren kulturelle Hintergründe etwas näher kennenzulernen.

Zu den Monumenten (westlicher) Kunsttheorie gehört "Die Geschichte der Kunst" von Ernst H. Gombrich. Dafür sollte man schon einige Leselust und Wißbegier mitbringen. Wer den bedeutenden Kunsthistoriker vorab einmal kurz kennenlernen möchte, ist mit seinem Beitrag zu den "Wiener Vorlesungen im Rathaus" bestens bedient.

In "Künstler, Kenner, Kunden" erhält man auf rund 50 Seiten eine vorzügliche Einstiegshilfe in das große Thema, um so besser klären zu können,

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wo man allenfalls weiter machen möchte. Kunst und Handwerk, guter und schlechter Geschmack, Laienvolk und Kennerkreise ... eine praktische Gelegenheit, eigene  Ansichten zu überprüfen.

Aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert hat mich Cézanne beeindruckt und bewegt wie kaum jemand sonst, während vom Beginn des 20. Jahrhunderts der oben erwähnte Kasimir Malewitsch mich staunen läßt, welche Wege die Kunst findet.

Später ist es dann Marcel Duchamp, dessen Denken und Tun mich einfach umhauen.

Wer nur von seinen provokant erscheinenden "Readymades" weiß, hat wenig Vorstellung, wie einflußreich und prägend sein Werk bis heute ist.

Ich bin froh, daß es bei uns für schlanke acht bis zehn Euro reich bebilderte, gute Einführungen gibt. Wie diese von Janis Mink, in der einem auch Man Ray oder Francis Picabia erscheinen.

Von Picabia findet man da übrigens jenen ausgestopften Affen, mit dem er Cézanne, Rembrandt und Renoir bedacht hat.

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Das Anrennen gegen etablierte Autoritäten, welche einen langen Schatten werfen, hat ja eine illustre Geschichte. Das bedeutet freilich auch: Wer es heute im Kunstkontext vorzieht, sich als "Rebell" oder "Bürgerschreck" herauszustellen, findet leicht eine verdammt hoch gelegte Latte vor, unter der man natürlich jederzeit durchlaufen kann.

[literatur] [slow motion: übersicht]


coreresethome
29•09