log #387: kunst ost

Ich hab in einem Beitrag („Reflexionen über Pischelsdorf") [link] von meinem sommerlichen Wien-Abstecher erzählt („Kultur und die EU-Regionalpolitik: Praxis und Perspektiven") und dabei einen Landesbeamten aus dem Wirtschaftsbereich zitiert, der auf dem Rückweg ganz unmißverständlich sagte, das nächste steirische Doppelbudget werde ein „Tal der Tränen" sein.

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Nehmen wir an, der Mann hat eine profunde Innenansicht des Geschehens und sollte daher sehr ernst genommen werden. Da Heulen und Wehklagen erfahrungsgemäß kraftraubend sind, egal was man bevorzugt, neige ich zur Ansicht, wir sollten uns wappnen.

Was heißt das praktisch? Da wir die Themen Kunst und Kunstvermittlung als unterschiedliche Kategorien verstehen müssen, da außerdem Wissens- und Kulturarbeit auch noch andere Aufgaben kennen als sich bloß der Kunst zu widmen, müssen wir vermutlich über Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Prioritäten reden.

Wenn etwa Kulturinitiativen wegbrechen, also auch Orte der Kunstvermittlung schwinden, und in diesem Zusammenhang Ressourcen für die Kunstvermittlung sich in Luft auflösen, bin ich ja nicht gerettet, sobald ich die (Budget-) Fragen der Kunstproduktion geklärt hätte.

Natürlich brauche ich Künstlerinnen und Künstler an meiner Seite, um an den aktuellen Problemlagen etwas zu bewirken, aber da nun gerade NICHT mit ihrer künstlerischen Praxis, sondern mit all den anderen Kompetenzen, die sie aus ihrer individuellen künstlerischen Praxis bezogen haben.

Um es etwas plüschig auszudrücken:
Wenn mir gerade wer absauft, brauch ich dabei niemanden, der ihm ein anregendes Bild zu diesem Thema malt. Wir müssen den Ertrinkenden entweder aus dem Wasser zerren oder die Flut blitzartig zum Versiegen bringen, umlenken, was auch immer, damit die bedrohte Person gerettet werden kann. Klar? Klar!

Auf meinem „Notizzettel für Wien" stand: Surrogate und Public Relations statt Ernst des Lebens und stichhaltige Diskurse?

Da stand ferner: Sind wir in der Lage, folgende Genres kategorial zu unterscheiden und angemessen zu bearbeiten, ohne eines davon unter den Teppich zu schaffen?
+) Kunstproduktion – Gegenwartskunst
+) Kunstvermittlung
+) Kulturpolitik
+) Eigenständige Regionalentwicklung
+) Soziokulturelle Agenda – Voluntary Arts
+) Verknüpfung/Kooperation: KWW: Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft


Ich wiederhole außerdem mein vorläufiges Lieblingsmantra. Eine kulturpolitische Kernfrage lautet: Sind wir als Kunst- und Kulturschaffende willens und in der Lage, die Realität treffend und stichhaltig zu beschreiben, um eine temporär gültige Aussage zu treffen?

Das habe ich für unseren Verein „kultur.at" und sein derzeitiges Hauptprojekt „kunst ost" momentan im Auge. Das Zusammenwirken dieser Teilthemen bzw. ihre Wechselwirkung kann ich nur bearbeiten, wenn ich für die nahe Zukunft Ziele formuliere und Prioritäten setze.

Das bedeutet AUCH, ich muß Klarheit finden, welche Teilbereiche ich zurückreihe oder gar fallen lasse, denn ich kann die Standortnachteile der Provinz UND die unabwendbaren Ressourceneinbrüche nicht kompensieren, um ALLES zu retten, was mir relevant erscheint.

Daher liegt vor mir, um geklärt zu werden:
+) Was sollen wir in den nächsten zwei Jahren vorrangig behandeln/bearbeiten?
+) Welche Kompensationen sind bei den Ressourceneinbrüchen durch
    a) Kompetenzanhebung und
    b) Kooperationen möglich?
+) Was müssen wir in eine nahe Zukunft verschieben?
+) Was sollten wir als vernachlässigbar überhaupt fallen lassen?

Das müßte hier auch noch wo zugeordnet werden: „Wir haben miterlebt, wie Wissensarbeit immer weniger wert wurde, also immer schlechtere Bezahlung erhielt. Wir sind in einer Situation angelangt, die von Kompetenzverlusten und Stagnation geprägt ist." [Quelle: „Was (nicht) zu übersehen war"]

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coreresethome
27•12