log #399: bildung

Alle Menschen müssen sich engagieren
(Bildungskritiker Andreas Salcher spricht Klartext)

Man kann in Österreich zwar sagen, daß sich was ändern soll, aber man sollte es vielleicht nicht wirklich wollen. So ließe sich moderat zusammenfassen, was seit Jahren im heimischen Bildungswesen rumort. Andreas Salcher fand verschiedene Gründe, sich das genauer anzusehen, weil er sich mit simplen Schuldzuweisungen, wie sie kursieren, nicht abgeben wollte.

„Ich bin kein Bildungsexperte, sondern ein Bildungskritiker", betont der Autor und Wirtschaftsberater. „Ich wollte wissen, wie gute Schule funktioniert", sagt Salcher. Dafür hat er sich weltweit umgesehen. Ja, es lassen sich klare Aussagen machen, was eine „gute Schule" sei und was „gute Lehrer" ausmache. Deshalb gibt es sein Buch „Nie mehr Schule - Immer mehr Freude".

log399_Andreas_Salcher.jpg (55681 Byte)

Andreas Salcher (Foro: Martin Vukovits, Ecowin Verlag)

Salcher stellt Lügen, Irrtümer und Selbsttäuschungen zur Debatte. Er spricht ungeschminkt von einer „Feigheit der Regierenden", welche dem pädagogischen Personal zeitgemäße Rahmenbedingungen schuldig bleiben würden. Dazu merkt er an: „Die Worte ‚individuelle Leistung’ gibt es im Lehrerdienstrecht überhaupt nicht."

Vor diesem Hintergrund seien „Selbstbild und gesellschaftliche Wertschätzung der Lehrer stark gesunken". Dazu kämen „provokante Posen im öffentlichen Diskurs". Salcher stellt einfache Fragen. Zum Beispiel: „Wie kriege ich ungeeignete Lehrer aus dem System raus? Die beschädigen ja ganze Generationen von Schülern."

Er meint, das sei auch eine schwere Bürde für gute, engagierte Lehrer. Im Klartext: „Die Gewerkschaft schützt die Schlechtesten, statt die Besten zu unterstützen." Er vermutet eine Art von „Nieten-Solidarität" und fordert uns alle auf: „Ich muß die unterstützen, die versuchen, es besser zu machen."

Das ginge nicht mit simplen Polemiken. Salcher regt uns an zu klären, was Qualität sei, statt über Quantität zu streiten: „Ich bin dagegen, daß mehr unterrichtet wird. Es wird zu viel zu schlecht unterrichtet. Das muß sich ändern. Es muß besser unterrichtet werden."

Salcher streicht heraus: „Gute, mutige Lehrer machen das eh. Aber die werden nicht unterstützt, sondern behindert." Er fügt an: „Alle Menschen müssen sich engagieren und auf das System einwirken." Das ist ein interessanter Punkt, weil damit deutlich wird, daß die Probleme des Bildungssystems nicht nur Lehrer und Eltern betreffen.

Das Wohlergehen einer ganzen Gesellschaft und aller Einzelpersonen wird davon berührt, wenn das Bildungswesen absackt. Salcher: „Jeder muß in seinem Bereich Handlungsmöglichkeiten erkennen und handeln."

Dazu merkt er an: „Es ist ja ein großes Problem, daß rund ein Drittel der Eltern selbst nicht in der Lage ist, sich fortzubilden." Das müsse dann die Schule kompensieren, womit die Lehrerschaft natürlich überfordert sei.

Eine der zentralen Fragen lautet für Salcher: „Wie mache ich Menschen zu lernen Menschen?" Und da meint er jetzt nicht bloß Schulkinder, sondern die ganze Gesellschaft. Doch der Politik hält er speziell vor: „Was ist denn aus den ganzen Versprechen der letzten Jahre geworden?" Die Rate der Analphabeten etc.: „Nix hat sich gebessert."

Salcher kritisiert auch deutlich, daß Klassenzimmer immer noch so aussehen würden wie vor 50 Jahren, was absurd sei, da sich die Welt und die Anforderungen inzwischen völlig geändert hätten.

Und wo seien die Computer und die Arbeitstische für Lehrer, die ja wohl der Arbeitgeber zu stellen habe, damit ein Minimum an zeitgemäßer Arbeitsplatzausstattung verfügbar wäre? „Dafür geht die Gewerkschaft aber nicht auf die Straße."

„Die Politik ist gefordert", aber auch die Gesellschaft in ihrer Ganzheit. „Das ist so eine Gleichgültigkeit. Wir behaupten zwar, daß Bildung wichtig ist, aber wir nehmen die Schule einfach so hin."

Das meint zum Beispiel, es sollen rund 12.000 Kräfte für administrative Arbeiten eingestellt werden, anstatt die administrative Arbeit zu vereinfachen und zu reduzieren. „Formulare, Formulare, jede Menge Verwaltung, wie viele Stellen da beteiligt sind; ein Wahnsinn!"

Und die Posten-Fragen? Sehr einfach: „Es geht darum, Funktionen zu erfüllen. Wer das nicht kann, muß weg und sich etwas anderes suchen. Jemand kann zum Beispiel als Direktor völlig ungeeignet sein, obwohl er ein sehr guter Lehrer ist."

Es gehe um konkrete Aufgaben, die erfüllt werden müssen. „Das ist ja auch in der Privatwirtschaft so." Man müsse sich den vereinbarten Aufgaben gewachsen zeigen oder eine andere Stelle suchen.

Interview: Martin Krusche

Andreas Salcher
Nie mehr Schule - Immer mehr Freude
128 Seiten
Ecowin Verlag
ISBN-13: 978-3711000323

[Übersicht]


coreresethome
41•12