log #402: naša mesta

Möglichkeitsraum. Debatten. Erfahrungsaustausch. Wir pflegen spätestens seit 2007 kontinuierliche Kooperationen mit Kunst- und Kulturschaffenden aus Südosteuropa, speziell aus Staaten des vormaligen Jugoslawien. Siehe dazu die "Timeline": [link]

Ein Projekt, das wir mit der serbischen Künstlerin Jelena Juresa 2010 [link] realisiert haben, war der Ausgangspunkt für ein Vorhaben, das von Jelena Juresa, Mirko Sebic und Ivana Volic konzipiert wurde.

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Für "NAŠA MESTA | Our Places | Unsere Orte" [link] hat das Trio eine kollektive Verfahrensweise entworfen, mit der eine Reihe von Fragestellungen und Aufgaben bearbeitet werden, die einerseits das vormalige Jugoslawien und die Konsequenzen der Sezession betreffen, andrerseits aber auch dieses gegenwärtige Europa, welches sich eben neu zu formieren sucht.

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Von links: Jelena Juresa, Ivana Volic und Mirjana Peitler-Selakov

Wir haben nun, nach entsprechenden Vorarbeiten, in einer zweitägigen Konferenz die aktuellen Grundlagen für eine längerfristige Kooperation festgelegt. In den Worten des serbischen Trios:

>>Enabling connection of individuals (creative thinkers, theorists, artists, media and social activists) from the Ex-Yugoslav geographical space and from Europe in order to create an interdisciplinary team which could open a new communication space.<<

Die Fragen nach Identität auf individueller und kollektiver Ebene sind nicht nur auf dem Balkan akut, wo mehrere Postkriegsgesellschaften mit ihrem "Nationbuilding" beschäftigt sind und zugleich die noch sehr frischen Traumata der jüngsten Balkankriege bewältigen müssen.

Diese Fragen sind ebenso in einem Europa akut, das sich offenbar in seinen derzeitigen Umbrüchen noch nicht so recht und umfassend von den mörderischen Konzepten des Nationalismus aus dem späten 19. Jahrhundert lossagen will.

>>Within this space a new identity benchmarks would be reassessed, based on the specific geographic areas and intimate private memories that, if transferred from intimate to public sphere, could become a precondition for a completely different future.<<

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Jared Diamond: "Arm und Reich"

Dieses "based on the specific geographic areas and intimate private memories" ist übrigens sehr interessant in Korrespondenz mit der Arbeit des Biologen Jared Diamond, der darstellt, daß Ethnos sehr viel mehr von topographischen denn von biologischen Aspekten geprägt ist.

Wir haben also heute einen ganz anderen Stand der Diskussion als Basis, wo wir unsere Orientierungen klären müssen, um Rassismus und rassistischen Nationalismus hinter uns zu lassen, um mit dieser historischen Erfahrung zu neuen Auffassungen eines "Wir" zu kommen.

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Karl Kaser und Mirjana Peitler-Selakov

Diamond bietet Thesen über sehr frühe gesellschaftliche Entwicklungen. Was nun die jüngere Vergangenheit und speziell den Balkan angeht, haben wir einen überaus sachkundigen Kooperationspartner vor Ort. Der Historiker Karl Kaser ist mit der Region vertraut wie nur wenige in unserer Reichweite.

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Kasers grundlegendes Buch "Südosteuropäische Geschichte und Geisteswissenschaft" stammt aus dem Jahr 1990. Daraus erfährt man vor allem, welche Zugänge und Verfahrensweisen ab dem 19. Jahrhundert unsere Vorstellungen vom "Balkan" geprägt haben.

Wenn ich mich recht erinnere, war der Begriff Balkan vor rund 20 Jahren noch so negativ konnotiert, galt überdies als äußerst unscharf, daß er im Alltagsdiskurs eher zu meiden war. Das hat sich inzwischen sehr geändert, was vielleicht auch auf Prozesse hinweist, denen heute "Naša Mesta" gewidmet ist.

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2011 erschien dann Kasers "Balkan und Naher Osten. Einführung in eine gemeinsame Geschichte". So fühle ich mich, was den Stand der Diskurse angeht, gut gerüstet, den Blick, wie er von Österreich aus nach Süden gerichtet wird, und dabei auch die eigene Position zu überprüfen.

Wir werden nun klären, welche konkreten Fragestellungen uns gemeinsam interessieren und welche Arbeitsschritte daraus abzuleiten sind. Für das kommende Frühjahr steht auf jeden Fall ein Round Table in Gleisdorf auf dem Programm.

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-- [NAŠA MESTA] --


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