log #437: südost

Ich mag sehr, wie sich der Abschlußtag des heurigen Kunstsymposions vollzog, auch wenn mir dabei der Schlaf etwas knapp wurde. Innerhalb von wenig mehr als 24 Stunden entfaltete sich außergewöhnliche Fülle.

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Erst tagte Historiker Karl Kaser im ersten Büro unseres "Amtes für allgemeines Können", wo über die eurobalkanische Herausforderung zu reden war, also darüber, wie sich nun dieses Europa mit seinen südlichen Leuten verständigen mag und wohin das führen kann.

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Dann referierte Politologin Monika Mokre Fragen zur Konstruktion von Identität. Hier sieht man sie in Gesellschaft von Gavrilo Princip, dessen Portrait auf dem Monitor die Aspekte von Blickwinkeln betont: Terrorist oder Freiheitskämpfer?

Klar, daß uns die anschließenden Debatten hungrig werden ließen. Nach der folgenden Geselligkeit stand für mich an, die Ausstellung abzubauen, weil wir anderntags das Museum im Rathaus einem nächsten Thema zu öffnen hatten.

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Dieser Job war weit nach Mitternacht getan. Da ahnte ich noch nicht, wie eindrucksvoll die Kollektion historischer Fahrräder von Max Reder [link] im MiR erscheinen werde. Mein kleines Intermezzo zur Erfindung des Mopeds [link] hatte ich davor schon in der Galerie "einraum" etabliert. Das leitete hier wie da zu unserem Thema Mobilitätsgeschichte über.

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Fahrrad, Moped, Automobil. Wir bekamen an einem Ereignistag die Anschauung von rund 150 Jahren der Revolution individueller Mobilität zustande. Das war nicht nur ein Betrachten von Fahrzeugen, sondern auch ein Debattieren der Fragen nach Handfertigkeit, nach Handwerk, kulturellen Kompetenzen, welche uns teilweise verlorenzugehen drohen.

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Max Reder (Foto), Bernhard Lagler, Sepp Schnalzer sind Männer, die Kompetenzen verkörpern, auf deren Feldern zunehmend der Nachwuchs fehlt.

Ich habe oben die Handfertigkeit im Zusammenhang kultureller Kompetenzen erwähnt, weil allgemein gerne übersehen wird, daß geistiges Leben leibliche Grundlagen hat und daß ein Geschick der Hände, welches auf langen Strecken erworben werden will, den Geist ebenso moduliert wie das Denken.

Während nun Max den Auftakt zur "Velo Gleisdorf" arrangiert hatte, wo eben noch der Blick auf zehn Jahre "the long distance howl" angeordnet war, ging draußen die internationale "Löwen Rallye" ins Land. Da hat vor Ort Gottfried Lagler erneut sein Geschick, solche Ereignisse zu orchestrieren, gezeigt.

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Wenn dann rare Glanzstücke auftauchen, wie die Giulia im Kleid von Bertone (vorne) oder eine offene Version der Deesse von Chapron, hätten wir Anlaß, zeitgleich über Sozial- und Kulturgeschichte zu reden, um für einen Teil Interessierter auch noch Fragen der Technologiegeschichte zu behandeln.

Ahnen Sie nun, was mich bewegt, solche Themenverknüpfungen zu verfolgen? Was sich hier in Gleisdorf von einem Morgen zum Abend des nächsten Tages ereignet hat, ist thematisch, ist in Debatte und Anschauung von Artefakten, das Ausleuchten des gesamten 20. Jahrhunderts.

Ich bin überdies mit meiner Schilderung noch nicht fertig. Nachts lud Elisabeth Santigli dann auf den Hauptplatz zum "Solarbaum" von Hartmut Skerbisch. Akkordeonist Lothar Lässer spielte vom Balkon des Sparkassengebäudes auf den nächtlichen Platz hinaus. Schließlich wurde die Lichtinstalltion "Oral Beauty" von Alfredo Barsuglia gezeigt.

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Barsuglia wird am 5. Oktober unser Gast bei der "Langen Nacht der Museen" sein und dort eine Performance zeigen: [link] Zu dieser "Fünfer-Nacht" bringen wir eine weitere Kunstpostkarte heraus, die eine neue Arbeit von Barsuglia zeigt und im Museum im Rathaus kostenlos erhältlich sein wird; zugleich mit der derzeit jüngsten Karte, die eine Arbeit von Radenko Milak zu den Schüssen von Sarajevo zeigt: [link]

Damit möchte ich auch deutlich machen, was "Kulturpakt Gleisdorf" bedeutet: [link] Diese eineinhalb Tage als verdichteter Ablauf in einem komplexeren, längerfristigen Zusammenhang sind ein Beispiel, welche kulturellen Prozesse wir abseits des Landeszentrums zu bewegen imstande sind, wenn einige inspirierte Menschen zusammengreifen. Voraussichtlich übermorgen suche ich mir eine leidlich weiche Stelle, um einfach umzufallen und auszuschlafen...

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coreresethome
39•13