Blatt #16 | KW 36/2019

Von den Anfängen I

Anläßlich Mythos Puch VI ist ein grundlegenderer Rückblick fällig. Wir haben während des 20. Jahrhunderts allerhand Motive aus der Literatur übernommen, um technische Innovationen zu benennen. Eines der älteren Beispiel ist der Roboter aus Karel Čapeks Theaterstück „R.U.R.“ (Rossum’s Universal Robots).

Dieses Plakat aus den 1930er Jahren stammt vom Federal Theatre Project, das während der Großen Depression ab 1929 eingerichtet wurde.

Die drei Robotergesetze von Isaac Asimov schafften es als Denkanstoß aus der Science Fiction-Literatur ins reale Leben.

Später konnte man in der Literatur des Cyberpunk Begriffe finden, die für das Internet und Online-Welten übernommen wurden.

Ich hab mit eben Grant Sputores I Am Mother (2019) angesehen. Paßt sehr gut zu meinen aktuellen Projekten, in denen immer wieder festzuhalten ist: Wir müssen die Koexistenz von Menschen und Maschinen neu klären.

Gabe Ibáñez hat 2014 in Automatadie Menschen noch in einer völlig vergifteten Welt zurückbleiben lassen.

Wird das nun eine Rebellion oder Emanzipation? "I Am Mother" läßt das offen. Derzeit sehen wir: Maschinen lernen von Maschinen. Es kursieren Angstbilder. Daß sie uns die Jobs nehmen, als hätte Europa aus den Weberaufständen und Maschinenstürmereien Mitte des 19. Jahrhunderts nichts gelernt.

Auch wird befürchtet, daß sie schlauer werden könnten als wir; was sie ja in etlichen Disziplinen schon sind. Und daß sie uns eventuell beherrschen, als Sklaven behandeln möchten. (Weshalb sollten sie sich auf solche Art dereinst überhaupt für uns interessieren?)

Ich bin ein Kind jener Ära, als Kohle und Stahl die Hauptthemen der Industrie waren, bis in den 1970ern die Digitale Revolution diesen Kosmos vertrauter Bilder zur durchbrechen begann. Die Wundermaschine jener Ära war das Automobil, wie es zum Generalfetisch unserer Kultur wurde. So sehr und gründlich ich mich mit diesem Thema vertraut fühle, so sicher fühlt sich für mich an: das ist nun gelaufen.

Nun also: 1919 – 2019. Vor hundert Jahre hatte der Große Krieg einen enormen Entwicklungsschub in die Kraftfahrzeugwelt gewuchtet. Ende der 1950er Jahre begann in Europa jene Volksmotorisierung, die speziell meiner Generation in den 1970ern eine Fülle und Fraglosigkeit beschert hat. Autos für alle! So schien das Motto zu lauten. (Hat ja auch geklappt.)

Heute arbeiten einzelne Handwerker an klassischen Fahrzeugen mit Kompetenzen, die sich zum Teil von jenen vor hundert Jahren nicht unterscheiden. Auch wenn der Stahl besser geworden ist, Holz, Glas, Leder und Metall zeigen etliche grundlegende Eigenschaften, die Bestand haben. Das sind übrigens die Schuppen und Werkstätten von Atlantis, teilweise versunken, teilweise zugänglich.

Und Autos für alle? Das ist schon jetzt Sozial- und Kulturgeschichte. Daran ändert keine Flut von „Fuck you, Greta“-Aufklebern etwas, weil der Umbruch ganz andere Quellen hat, anderen Kräftespielen folgt. Ich weiß schon, mit dieser Ansicht ist man für heftige Widersprüche gut.

Das ist mir allerdings egal, denn ich bin mit der Geschichte des Automobilismus befaßt. Und dabei sind für mich die derzeit populären Ressentiments begeisterter Automobilisten bloß ein Randthema, das inhaltlich noch recht wenig hergibt.

Das Zeitfenster 1919 – 2019 läßt diese gewaltige Kräftespiel so transparent erscheinen. Im Zweiten Weltrkrieg hat der Jahrtausende währende Kentaurische Pakt geendet, dieses besondere Verhältnis zwischen Menschen und Pferden, von dem die Wirtschaft und die Politik, die Kultur, geprägt waren.

In der Fangemeinde wird seit jeher afgebauscht, schöngeredet, verklärt. Das ist Teil dieser Kultur, seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts: der Popkultur. Eine der populärsten Legenden dieses Genres: Carl Benz hat das "erste Automobil der Welt" entwickelt und patentiert. So etwa Thomas Lang in "Eine kurze Geschichte des Automobils" (2013).

Natürlich kann darüber prächtig gestritten werden. Der erste pferdelose Wagen? Das erste Automobil? Man muß ja weder Cugnots Fardier kennen, noch je einen Cripper gesehen haben, um dieses motorisierte Fahrrad von Benz für das erste Auto unserer Geschichte zu halten. Dazu später im Detail...

+) Mythos Puch VI

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