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Der Technik auf der Spur

Von 16 bis 400 PS: Der ehemalige Landring-Betreuer Karl Kalcher hat die Modernisierung der Landwirtschaft hautnah miterlebt. Jahrzehntelang standen Traktoren bei ihm auf dem Prüfstand seines Arbeitsalltags.

Er wurde 1933 geboren, ein Jahr bevor Mercedes-Benz und die Auto-Union mit ihren „Silberpfeilen“ eine Geschichte anzettelten, in der kühne Maschinisten, unerschrockene Fahrer, zu Helden wurden, die als Typus bis heute durch unsere Kultur und über unsere Straßen geistern.

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Fahren. Fuhrdienste gehören seit jeher zu bäuerlichen Arbeitsstandards, waren auch Kernbereich der Fron in Zeiten der Leibeigenschaft. Aber zum eigenen Vergnügen mit diesem oder jenem Fahrzeug durch die Lande düsen? Keine Chance! Das änderte sich erst, als Kalcher für den zeitraubenden Außendienst – „Da reichen 40 Wochenstunden nicht.“ – einen Firmenwagen erhielt. Da ist von den 1950er-Jahren die Rede.

Volksschule, Hauptschule, Fahrschule, Kurse. Kalcher kommt von einer kleinen Landwirtschaft. Ihm ist die harte Arbeit früh vertraut gewesen. Waggons abladen. Säcke und Milchkannen schleppen. Alles von Hand, wie auch die Erntearbeit zuhause; oder die Versorgung des Viehs, bevor man morgens losziehen konnte. Später fuhr er Lastwagen. „Mein Chef hat immer gemeint, du darfst nicht sagen du kannst es nicht, du mußt es probieren.“

Und wie ging’s zum Arbeitsplatz? „Mit dem Fahrrad.“ Klar! Autos waren in den 1950ern für den Großteil der Bevölkerung noch völlig unerschwinglich. Ihre Transporte haben die Bauern mit Kühen oder Ochsen erledigt. Pferde konnten sich nur wohlhabende Leute leisten.

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Puch Excelsior Motorpflug aus den 1920er-Jahren ist für unsere
Gegend einige Nummern zu groß gewesen.

Kennt man das Tempo eines Ochsengespannes, dann ahnt man, welchen überwältigenden Sprung in den Abläufen Traktoren bedeutet haben. „Da hab ich bei jedem Wetter rausfahren können“, sagt Kalcher, obwohl die frühen Traktoren keine Verdecke hatten, keinen Wetterschutz. Und man schaffte ungleich mehr Fuhren in der gleichen Zeit, die man mit Fuhrwerken gebraucht hatte.

Dies Beschleunigung bedeutete damals vor allem Arbeitserleichterung und Anhebung des Lebensstandards. Auf diesem Weg fuhren zuerst einmal Balkenmäher und Einachs-Schlepper. Die Einachsigen konnten auch durch einen Anhänger mit „Triebachse“ erweitert werden und Kalcher hatte seine Freude, den Bauern zu zeigen, wie viel Heu man etwa mit ganz wenig PS bewegen konnte.

Deutz, Fendt, John Deere, Lindner, Porsche (als Hofherr-Schranz), Steyr, „Ich habe 1956 meinen ersten Warchalowski verkauft. Zwei Zylinder. 16 PS.“ Heute reden wir von 300 und 400 PS. Und dann noch das Dreschen. Da mußte in Gemeinschaften gekauft werden, denn „es gab damals noch kein Lohndreschen“.

Kalcher erinnert sich an einen Bauern, der hatte zwar schon einen Rohbau stehen, lebte aber noch im alten Anwesen. Lachend und kopfschüttelnd erzählt er, daß dieser Mann ihm den Kreditantrag für einen Drescher in der Rauchkuchl unterschrieben hat. So hart konnte der Kontrast zwischen Lebens- und Arbeitswelt damals noch sein.

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Der Fordson Model F (ca. 1920) war kleiner und leichter
als übliches Gerät auf den Feldern.

Diese Neuerungen bedeuteten ferner, am Wochenende in der Firma „Mähdreschdienst“ zu versehen, wenn Erntezeit war. Der Bedarf an Keilriemen war groß, ein Mechaniker mußte verfügbar sein, die Arbeit fiel eben an, wenn die Bauern auf dem Feld waren.

Bald gab es auch Maschinen mit „Maisgebiss“; bei den zweireihigen fuhr man noch Pflanzen nieder, die vierreihigen nahmen dann alles mit. John Deere und Claas regieren dieses Terrain bis heute, sagt Kalcher.

Dreieinhalb Jahrzehnte hat der Mann mit Maschinen zu tun gehabt. „Ich bin so viel Traktor gefahren“, da wäre er heute nimmer neugierig, mit Oldtimern herumzukurven. Aber er besucht immer noch gerne Messen und setzt sich auch neugierig auf einen neuen Traktor, um zu sehen, was sich auf dem Markt tut.

Was er mehrmals erwähnt: „Man kann von den Bauern viel lernen.“ Daß man etwa bei der Holzarbeit nicht dem fallenden Baum nachblicken dürfe, sondern schauen müsse, was allenfalls an verhakten Ästen noch von oben käme und derlei Praxisdetails im sachkundigen Umgang mit den Dingen.

Sachkundiger Umgang mit den Dingen. Das scheint ein zentrales Thema im Leben dieses Mannes zu sein, was eine kulturelle Kompetenz ausdrückt, um die sich diese Gesellschaft offenbar langsam einige Sorgen machen muß. ... Fortsetzung: Seite #2 (Ein kurzer Überblick)

In leicht gekürzter Fassung erstmals erschinen in
"Kraft am Land", Herbst 2012

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