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diskurs[house] ein projekt über das fremdeZum "Dichterstein Offenhausen" Von Karl
Müller |
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Textauszug! |
Stellungnahme zum "Dichterstein Offenhausen" für die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (März 1998)... hier in Auszügen. Der spezifische Umgang mit dem Leben und Werk von bisher über 500 deutschsprachigen Autorinnen und Autoren, wie er sich am Offenhausener Dichterstein in Form einer "steinernen Literaturgeschichte" "die kleine österreichische Walhalla" oder "Klein-Walhall" und in allen einschlägigen Publikationen des Vereins Dichterstein Offenhausen und dessen Sympathisanten in insistierend unveränderter Weise zeigt, basiert auf einem deutsch-völkischen, "volkstreuen" und "reichsdeutschen" kulturellen Selbstverständnis. Dieses kann seine Anteile an der rassistischen und rassenmystischen Tradition, wie sie spätestens seit 1935 in den Nürnberger Rassegesetzen sogar Gesetzeskraft erlangt hat, nicht verleugnen. Sowohl die steinerne Verewigung von ideologischen Wegbereitern des Rassismus (z. B. Friedrich Ludwig Jahn 1778-1852), die Berücksichtigung von rassistischen Literarhistorikern oder Philosophen (z. B. Otto Hauser 18761944, Adolf Bartels 18621945, Hermann Schwarz 18641951) als auch die auf der sogenannten "Treuetreppe" (S. 126) eingemeißelten Begriffe wie z. B. "Sippenreinheit" oder "Artbewußtsein" sind sichere Belege für diese Orientierung. Diese Terminologie gehört fest in das Sprachrepertoire rassenmystischer und damit auch antisemitischer Tradition. Die auf der "Treuetreppe" ebenfalls verewigten Schlagwörter wie z. B. "Gefolgschaftstreue", "Opfersinn", "Ahnenehrung", "Volkseinheit", "Tapferkeit", "Einsatzfreude", "Gesittung" usw. werden in diesem "volkstreuen" Kontext zu Wertbegriffen mit spezifischer Bedeutung: Sie werden zu "volkstreuen" Appellen und "Mahnungen" an alle, wie es der seit 1980 über dem Eingang der Anlage prangende Spruch von Erwin Guido Kolbenheyer "Wer den Geist verrät, verrät sein Volk" programmatisch ausdrücken soll. Kolbenheyer stand auf der sogenannten "Gottbegnadetenliste" des NS-Regimes, er beförderte die rassistisch fundierte "völkische Kulturerneuerung", wie seit 1933 die Verfolgung und Vernichtung der dem NS-Regime nicht-genehmen, insbesondere der jüdischen Kultur hieß, und wurde dafür vom NS-Regime wiederholt geehrt und ausgezeichnet. Der Wahrheitsanspruch, den sich die Dichterstein-Betreiber selbst bescheinigen, kommt im "Richtspruch" Karl Springenschmids führender NS-Kulturpolitiker, Leiter des NS-Lehrerbundes im Gau Salzburg zwischen 1938 und 1945 zum Ausdruck: "Möge dieser Dichterstein den Kommenden ein Richter sein!" ... Das kulturpolitische Ziel sei es demgemäß, "für die Allgemeinheit Volksdienst" und zugleich "Abwehrkämpfe" zu leisten, um in Zeiten eines "kulturellen Niederganges" der Nachkriegszeit, "inmitten einer entwurzelten und haßverwirrten Zeit" die "Macht unserer Ideale" zu demonstrieren, nämlich "für Volk und Reich und Kindeskind", wie ein dichtender Sympathisant programmatisch formulierte. Demnach soll nur das als "heimat- und volksverbunden" bezeichnete "Schrifttum", das nach der Niederlage des Hitler-Regimes geächtet worden sei, geehrt und verewigt werden. Es sollen eben jene ausgezeichnet werden, die "bis 1945 in ehrenvollem Ansehen [standen], manche davon als Schöpfer von Ewigkeitswerten seit mehr als hundert Jahren anerkannt." (Joseph Hieß) Joseph Hieß (19041973), der Initiator und "Ideenträger", seit den 20er Jahren dezidierter Rassist und Antisemit, der gemeinsam mit dem Österreichischen Turnerbund ein "Denkmal für Turnerdichter" geplant hatte, weitete später seine Initiative auch auf andere Autoren aus, die alle zu "volkstreuen Dichtern und Schriftstellern" erkoren wurden, so daß heute (November 1997) nach meinen Recherchen insgesamt 512 als "Volkstreue" Deklarierte vom Mittelalter (!) bis ins 20. Jahrhundert der skizzierten ideologischen Optik unterworfen werden konnten. So überrascht es nicht, daß die steinerne Galerie der für würdig befundenen Autoren äußerst heterogen ist und eine literarhistorisch betrachtet nicht zu homogenisierende Skala von Schriftstellernamen darstellt. ... |
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