11. Mai 2025
Die Kunst und das Greifbare
Gestern hieß es „Die KUG lädt ein!“, was die Kunst Uni Graz
meint. Das Angebot: „Klassik und Jazz, Schauspiel,
Operette und Orchester, Bekanntes und Überraschendes…“
Das ist für mich mit Reminiszenzen verbunden. Einerseits
hatte Graz die erste Jazzabteilung Österreichs.
Das
heißt, als wir in den 1970ern alle grade erst begonnen
hatten, uns vor Publikum zu erproben, waren exzellente
Musiker mit uns unterwegs, teils aus dem damaligen
Jugoslawien, teils aus anderen Weltgegenden.

Dazu kam dann noch, daß ich mit einer junge
Opernsängerin verheiratet war, folglich auch dieses
Genre hinter den Kulissen näher kennengelernt hab,
wo Diva Herma Handl als Lehrerin den Lauf der Ding
bestimmte. Wenn ich, wie gestern, derart nahe
an diesen Frauen und Männern dran bin, deren
Auftritte - neben allen Talenten - eine so
erhebliche Disziplin zur Voraussetzung haben,
konsequente Arbeit über Jahre, steht mir der
Kontrast sinnlich vor Augen. Jener Kontrast
zu Menschen, die sich künstlerisch betätigen, um
ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, um gehört und
gesehen zu werden, um Sozialprestige zu gewinnen,
was immer auch sonst noch Gründe für ihre Wege sein
mögen, aber ohne diese stete Bemühung um die Fragen
und Anforderungen der Kunst.

Das sind legitime Wünsche und Wege, doch
ganz unterschiedliche Terrains und
Genres. Ich bestehe auf der Forderung,
sich selbst Rechenschaft zu geben, was
man weshalb tut und welche Mittel man
dafür nutzen möchte. All dieses bloß
Gefühlte, das sich zu mehr nicht
aufraffen kann, mag seinen Platz haben,
aber wir stehen nicht im gleichen Lager.
Ich will gerne annehmen, daß
Mischformen unverzichtbar sind. Jemand
wird das eigene Tun lieber etwas stärker
als soziales Vorhaben gewichten, andere
als eher künstlerische Vorhaben. Ich bin
überzeugt, daß die Kunst nichts müssen
muß, jedoch sind Künstlerinnen und
Künstler nicht bloß das,
Kunstschaffende, sondern auch
Mitmenschen, folglich soziale und
hoffentlich politische Wesen.
Beides, soziale und politische Anteile
zu pflegen, bedeutet, sich dem
Gemeinwesen zu verpflichten. In der
Kunst muß ich das nicht, da bin ich bloß
mir und der Kunst etwas schuldig. Meine
Eigenverantwortung handelt davon, die
Summe meiner selbst anerkannten
Verpflichtungen zu verwalten,
miteinander in Beziehung zu halten.

Das kann auch bedeuten,
soziale und politische
Verpflichtungen gegenüber
dem Kunstbezug völlig
zurückzustellen. Mit der
zwingenden Konsequenz, daß
man dann im sozialen und
politischen Zusammenhang
kaum Zuwendung erfahren
wird. Das ist eine radikale
Position, kein geschützter
Arbeitsplatz. Wer
sich aber ausschließlich der
Kunst verpflichtet, das
Soziale und Politische
ausschlägt, gleichwohl
Nutznießer sozialer und
Politischer Annehmlichkeiten
sein möchte, fordert damit
den Sonderstatus der
Priesterschaft, wahlweise
der Aristokratie, was
bedeutet: solche Leute
hocken sich auf dem Buckel
anderer Menschen. Ich
sehe keine Möglichkeit, so
einen Anspruch
durchzusetzen, außer jemand
befindet sich in einer
Verfassung, die es unmöglich
macht, ein selbstbestimmtes
Leben zu führen. Jemandem in
dieser Situation angemessene
Unterstützung zu bieten,
sollte kein Problem sein.
Doch das ist ein anderer
Zusammenhang…
+)
Kulturpolitik
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