kunstraum.gleisdorf: Neue Räume


Wo bleibt das papierlose Büro?
Von Wolf Rauch

Vortrag
Deutsche Handelskammer
in Österreich
Mai-Soiree 2001
Graz, 14.Mai 2001

[...]

Der Wunsch, der Papierflut Herr zu werden, ist ein alter Traum der Menschheit. Schon Wernherr von BRAUN hat gesagt: "Wir können die Schwerkraft überwinden, aber der Papierkram erdrückt uns".

Der Weltraumpionier macht damit deutlich, daß der Wunsch nach dem Papierlosen Büro eigentlich der Wunsch nach der Reduktion von Verwaltungsabläufen, nach dem Rückzug der Bürokratie, nach weniger Overhead ist. Es ist nicht das Papier, es ist die Verwaltung, die wir los werden wollen. Oder noch deutlicher: Das "Papierlose Büro" ist die aktuelle Gestalt der romantischen Sehnsucht nach dem einfachen, natürlichen Leben. Das "Papierlose Büro" ist sozusagen die "Blaue Blume" der Romantik im Informationszeitalter.

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Das wird auch in der Geschichte des Papierlosen Büros deutlich: Ein besonders wichtiger Meilenstein war wohl der "Paperwork Reduction Act", ein Bundesgesetz der USA aus 1980.

Dieses Gesetz ist der Höhepunkt einer langen Reihe von Versuchen der US-Administration, der Papierflut mit Gesetzen Herr zu werden. Schon 1942 gab es in den USA ein Bundesgesetz, das verordnete, die öffentliche Verwaltung habe mit einem "minimum burden upon the public and a minimum cost to the Government" auszukommen.

Der Papierberg in der Verwaltung ließ sich davon nicht beeindrucken.

Es gab in der Folge mehrere bundesstaatliche Kommissionen, Vorschläge des Präsidenten und des Kongresses. All das mündete in der Erkenntnis, daß Papier und Verwaltung untrennbar verbunden sind: Will man die Verwaltung vereinfachen, dann muß man das Papier reduzieren, dazu muß man wiederum die Regulationswut der Gesetzgebung bremsen. Und das ist leichter gesagt als getan.

Der "Paperwork Reduction Act" von 1980 war der Versuch, diesen gordischen Knoten zu durchschlagen. Dieses Gesetz
• es nannte das Problem schonungslos beim Namen.
• Es enthielt eine Fülle von organisatorischen Lösungsvorschlägen.
• Und es gab erstmals eine konkrete Hoffnung, der Papierflut Herr zu werden: den COMPUTER.

Nebenbemerkung: Dieses Phänomen der ausufernden Verwaltung kennt natürlich nicht nur die amerikanische Bundesverwaltung. Es gilt überall, im öffentlichen Bereich wie im privaten. Zur Anwendung kamen der "Paperwork Reduktion Act" und seine Lösungsvorschläge auch weniger in den Bundesbehörden als vielmehr vor allem in den Landesverwaltungen und in der Privatwirtschaft.

Zurück zum Hauptthema: Mit dem "Paperwork Reduction Act" hat also endlich der Held offiziell die Bühne betreten: Der COMPUTER. Er soll also den vielköpfigen Drachen "Papierflut" endgültig besiegen und uns in ein Paradies der einfachen Verwaltungsabläufe führen .

Diese Perspektive war Anfang der 80er Jahre noch nicht so selbstverständlich wie es heute klingt: Noch war der Computer primär RECHNER, nicht TEXTVERARBEITER.

In den großen Elektronik-Konzernen und Forschungslabors waren Computer und Büromaschinen noch strikt getrennt:

In den EDV-Zentren wurden die Computer-Drucker zwar immer besser und leiser, die Text-Software immer komfortabler, Büroarbeit war aber verpönt. Ein Informatiker betrachtete Schreibarbeit immer als unter seiner Würde. Ein Programmierer dirigierte Abläufe und Programme, schrieb aber keine Briefe.

Außerdem hatte der Computer gerade eine neue Quelle von ungekannten Papierfluten eröffnet: In endlosen Bahnen wurde das Papier nun ausgedruckt und kistenweise weitergeleitet. Nicht so bescheiden wie früher Blatt für Blatt – bestenfalls in Ordnern zusammengefasst. Der Computer war also nicht das offensichtlichste Instrument, um der Papierflut Herr zu werden.

Auf der anderen Seite, im Bürobereich, wurden die Schreibmaschinen immer klüger. Man konnte Wörter ersetzen, nachträglich in Texte einfügen, Randausgleich automatisch vornehmen. Hier war Rationalisierungspotential zu erkennen. Zumal sich der Schreibpool als organisatorische Sackgasse herausgestellt hat.

Man schrieb aber immer noch mit Typenhebeln, Kugelköpfen oder Typenrädern – also langsam, laut und mechanisch. Und rechnen wollte mit einer Schreibmaschine schon überhaupt niemand.

Nur das eigentliche Hirn von Computer und Schreibmaschine war bald identisch: der Mikroprozessor. Und die Textsysteme und die Computer der sogenannten Mittleren Datentechnik wurden einander äußerlich immer ähnlicher. Auch begannen die Fronten in den Büros zu bröckeln: Mancher Serienbrief wurde schon auf einem Computer geschrieben, mancher Programmierer begann, seine Korrespondenz selbst zu erledigen.

Allmählich wurden auch in den Entwicklungsabteilungen und in der Konzernstruktur der großen Büromaschinen-Hersteller die Gräben zwischen den EDV- und den Büromaschinen-Abteilungen zugeschüttet.

Auch das Forschungssprojekt, zu dessen Leitung ich 1979 nach Deutschland ging, hatte das Ziel, die Grenze zwischen Schreiben und Rechnen zu überbrücken: Wir sollten die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Textautomaten (so nannte man das damals) und Großrechnern untersuchen und die Auswirkungen auf die Büroarbeit analysieren.

[...]

(Textauszug! Volltext als RTF-File HIER.)
Weitere Lektüre:
"Bibliothek wozu?"
"Die Informationsgesellschaft ..."
"Wolf Rauch"


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