ak3: beiträge
[11/2000]


ak3
k
ulturelle kompetenz • medienkompetenz


 

Robert Zöchling
"Kritik statt Sektor"

(Thesen zur Konferenz der IG Kultur sektor3/kultur.)

 

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[I17] Der Saat soll ebensowenig als Agent des Public Access auftreten ...

1.
"Zivilgesellschaft" oder auch ein "Dritter Sektor" kann nicht als ein von "Markt" und "Staat" relativ unabhängiger "Raum" betrachtet werden, in den man sich begeben könnte, um von dort aus jene gesellschaftlichen Bedürfnisse zu befriedigen, die von "Markt" und "Staat" deshalb nicht befriedigt werden, weil sie als gesellschaftliche Bedürfnisse negiert werden. Statt solcher "Räume" gibt es etwa folgenden Zusammenhang: Personen und Gruppen sind eigensinnig genug, gesellschaftliche Gebrauchswerte schaffen zu wollen, die gesellschaftlich negiert werden, mag es auch Bedürfnisse danach geben (etwa nach kritischen Texten, nach sozialer Versorgung der aus dem Verwertungsprozeß Ausgeschiedenen, nach selbstbestimmter Tätigkeit statt Arbeit etc.). Sobald sie das außerhalb eines privaten Bastelstübchens und nicht bloß zum eigenen Gebrauch, sondern "draußen in der Welt" und zum öffentlichen Gebrauch tun wollen, befinden sie sich mißlicherweise nicht in einem "Dritten Sektor", sondern im (der einschlägigen Literatur folgend) "Zweiten Sektor", der der erste ist: am Markt, auf dem auch der Staat als Nachfrager auftreten kann. Daß mit dieser Nachfrage strategisch kaum noch zu rechnen ist, damit rechnen ja mehr oder weniger alle.

Der Staat tut seit Jahren nichts anderes, als sich von seinen positiven, soziale und kulturelle Infrastruktur erhaltenden und ausbauenden Funktionen abzumelden. Das ist im Großen und Ganzen nicht der besonderen Unfähigkeit oder Böswilligkeit von PolitikerInnen zuzuschreiben (so besonders ausgeprägt und gemeingefährlich die in der gegenwärtigen Regierung auch sind), sondern der allgemeinen Unfähigkeit von Politik, sich dem erreichten Stand der destruktiven Dynamik kapitalistischer Vergesellschaftung zu entziehen.

2.
Die Vertracktheit des Verhältnisses von Gebrauch und Wert, die Destruktivität dieser Gesellschaft, ihre Negation all dessen, was wir uns gerne als Gesellschaftlichkeit vorstellen würden, zeigt sich auf den uns professionell angehenden Gebieten besonders kraß – sagen wir also beispielsweise auf dem Gebiet der Medien: Die Medien sind das Blätter- und Ätherrauschen, das die untote, verwesende aber nicht verschwinden könnende Politik begleitet. Als gespenstische Wiedergänger dessen, was man einige Zeit lang als "vierte Gewalt im Staat" bezeichnet hatte, treiben sie ihr Zeichenwesen, das jeden Bezug auf eine Realität außerhalb seiner selbst vernichtet und jeden gedanklichen Zusammenhang tötet. Gesellschaftskritik kann heute genau dort ansetzen, wo Medienunternehmen am Werk sind: Bei der Reproduktion der schieren, jeden Sinns und jeder Zwecksetzung enthobenen Warenform. Die Notwendigkeit, in immer rascherer Folge neue Waren auf den Markt zu werfen, um die Akkumulation in Gang zu halten, führt unter anderem zu folgendem Problem: Es wird immer schwieriger, im geforderten Tempo handhaft-konkret, deutlich erkennbar und entscheidend Neues zu entwickeln. Die Distinktion der Gebrauchswerte ähnlicher Waren, die sich zu gleicher Zeit unter vielen Markenbezeichnungen und in vielen Ausführungen am Markt befinden, wird schwieriger. Die Distinktion einander ablösender Waren-Generationen sehr ähnlichen Gebrauchswerts wird ebenso schwieriger. Gesamtgesellschaftlich wird eine Ausdehnung des konkreten Reichtums auch bei immer weiterer Ausdehnung des abstrakten Reichtums immer schwieriger erkennbar.

Eine wertkritische Annäherung ermöglicht besser als jede von vornherein aufs symbolische Geschehen fixierte Theorie das Verstehen des "Abhebens" der gesellschaftlichen Produktion und überhaupt der gesellschaftlichen Befassung in allen Bereichen ins Symbolische, Diverse und schwierig zu Fassende: Die notwendige Abstraktion vom Gebrauchswert ist heute so weit vorangetrieben, daß die unübersehbare Warenvielfalt die KonsumentInnen zu überfordern und vollends zu frustrieren drohte, gelänge es nicht, ihr Konsuminteresse an die Warenform als solche zu heften: also an das verselbständigte Spiel der Marken und Images, der Star-Waren und des Waren-Fantums. Das ist heute die Aufgabe der Werbung und der Medien: der Werbung als zuständiger Branche für die Kommunikation der Verselbständigung der Warenform und der Medien in ihrer doppelten Funktion als Träger dieser Werbung und als Waren, die von ihrem eigenen Gebrauchswert absehen und sich distanzieren müssen, um als Waren bestehen zu können, deren einziger Gebrauchswert weiterhin darin besteht, Werbeträger zu sein – nicht bloß durch die Schaltung von Inseraten, sondern durch ihre durchgängige, fortgeschritten warenförmige Gestaltung, bei der auch im "redaktionellen Teil" der Gebrauchswert (also so etwas wie Sinn und Bedeutung von Texten und Bildern oder überhaupt ein Bezug auf eine Wirklichkeit außerhalb ihrer selbst) ausgeschaltet ist zugunsten eines mit zunehmender Ausschließlichkeit auf nichts anderes als auf sich selbst bezogenen Spiels mit Texten und Bildern (das mit Schlagwörtern wie "Infotainment" bloß harmlos eingeleitet wurde und inzwischen weit darüber hinaus ist). Das ist das zugleich einfache und schwer verständliche Geheimnis der "Verkommenheit", "Verblödelung", "Sinnentleerung" usw. der Zeitungen und Magazine.

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(Beitrag zur Konferenz sektor3/kultur. von der IG Kultur Österreich.)

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