[Home]


Statements zum
Grazer "Jazz-Dilemma"


Leute aus der Praxis kommentieren die Geschichte:

 

Alex Deutsch
Erich Kleinschuster
Gerhard Kosel
Martin Krusche
Karlheinz Miklin
Erwin Posarnig
Klemens Riegler


Info:

"Was ist geschehen?"

Alex Deutsch [13/98]
multilateraler Jazzpraktiker:

24. March 1998 14:45:50
Message / From: Cooltour / Subject: money&jazz - a contradiction? / To: Martin Krusche

Lieber Martin,

hier mein Beitrag zum Thema 'Jazz mit Erich Kleinschuster'. Bitte entschuldige die Verzögerung meinerseits, heavy weather - wie die Amis sagen würden. Ich trete ab morgen als Ersatz für Ihren erkrankten Schlagzeuger eine durch Österreich, Deutschland und Schweiz führende Tour mit der EAV!? an für vorerst 20 Konzerte.

Bezüglich meines Vorjahresdebakels mit dem Festival JUNK - Jazz &Neue Klänge - klopft der Exekutor das eine oder andere mal an meine Tür und dies ist für mich als Akteur und Veranstalter der einzige Weg, meinen Kopf aus der im Augenblick doch sehr eng gewordenen Schlinge zu befreien ,da man von öffentlicher Seite(Stadt und Land) der Meinung zu sein scheint, man habe seine Schuldigkeit getan und man offenbar nicht bereit ist ,einem steirischen Musiker mit tatsächlich internationalem Profil, der ztufällig auch Veranstalter und Kulturmanager der Stadtgemeinde Gleisdorf ist ,aus dieser für mich und meine Familie sehr ernsten Situation zu befreien. Na gut - soviel dazu !!!

Wie schon bei der Konferenz der Provinz in Pischelsdorf gesagt, kann ich nur wiederholen, daß es mich sehr freut, daß für die Sparte Jazz derartige Summen zu mobilisieren sind ... obwohl ich das Argument, man möge Graz (wieder?) damit zur Jazzhauptstadt machen, eine mir nicht nachvollziehbare Mär ist - ich weiß nicht, aus welchen Tagen, guten oder schlechten, welchen Märchenerzählers Fantasien sie auch entsprungen sein mag.

Natürlich gab es Zeiten, in denen in Graz auf dem Gebiet Jazz einiges mehr los war und - auch das muss ich korrekterweise sagen -, losgelassen wurde ... nur, Jazzhauptstadt war und wird Graz mit Sicherheit nie sein (siehe NYC - als reality check für diverse Traummännlein).

Zum anderen freut mich die Tatsache, daß man in der Person von Prof. Erich Kleinschuster sich einen sehr kompetenten Mann auf diesem Gebiet geholt und mit der künstlerischen Leitung dieses Pendants zu 'Classic in The City' beauftragt hat. Man ist auch von dieser Seite sicher gut beraten. Die Jahrzehntelange Aufbauarbeit in Sachen Jazz in Österreich geht ja zu einem guten Teil auf das Konto dieses Herrn und diese Tatsache lässt sich nicht leugnen.

Warum Kulturveranstalter, die bisher mit bestimmten Budgets arbeiteten und auskommen mußten, auf einmal Ihre Existenz gefährdet sehen oder warum heimische Musiker durch dieses Spektakel ihre Existenz gefährdet sehen, kann ich persönlich genausowenig nachvollziehen wie den Umstand, daß einige Veranstalter überhaupt ohne Landesförderungsmittel auskommen müssen, die in diesem Bereich auf sehr kontemporärer Ebene arbeiten - soviel zum Thema Impulse für die Szene und zum Thema JUNK ´95, ´96 und ´97 (siehe Einleitung), von dem es übrigens in den nächsten Wochen noch einmal eine einstündige Sendung auf 3sat geben wird.

Der Kultursprecher der SPÖ, Dr. Günter Getzinger, hat sein Unverständnis in Sachen Workshop und Festival Junk, welches von mir drei Jahre hindurch hier in der Steiermark veranstalten werden durfte und wo ich internationale Top Experten aus den Bereichen HipHop, Jungle, Funk, R&B, Light Design, Djs, Graffiti, Experimenteller Musik und Jazz mit jungen Menschen in jeweils einwöchigen, praxisnahen Arbeitssituationen zusammenbringen konnte, bezüglich mangelnder Landessubventionen zum Ausdruck gebracht und sich quasi dafür entschuldigt und mir eine Zusammenarbeit für nächstes Jahr in dieser Sache zugesichert. Eine nette Geste mit Zukunftsperspektiven, die den Herrn Exekutor allerdings wenig beeindruckt.

Mir war und ist einzig und allein folgender Umstand in dieser Sache nicht einleuchtend: wie erklärt man mir die riesen Kluft zwischen stattlichen 5 Fördermillionen für eine gute Sache und null Förderung für eine ebenso gute Sache.

In Erwartung einer plausiblen Antwort harre ich derer und freue mich auf einen heißen Jazzsommer in Graz.

aleX deutsch
cooltourpartisan, Lehrbeauftragter an der MHS Graz-Abt. Jazz, Kulturmanager der Stadt Gleisdorf , Musikproduzent und internationaler Live- und Studiomusiker (36 international veröffentlichte Produktionen)

redball.gif (925 Byte)

Top | Salon | Hausplan

 

Erich Kleinschuster  [13/98]
künstlerischer Leiter einer "herrlichen Jazzreihe":.
(Auszugsweise Abschrift eines Rundfunkinterviews mit Kleinschuster im Forum des Radio Steiermark - mit Peter Wolf im Gespräch).

Kleinschuster betonte, daß in der Steiermark von der Politik etwas ausgehe: "Daß das selbstverständlich in die Kunst reflektiert, das muß ja jeder verstehen."

Kleinschuster sagte, er habe im November (97) "erstmals Kontakt gehabt mit dem Kulturamt der Steiermärkischen Landesregierung oder dem Kulturreferat der Steiermärkischen Landesregierung, als mich der Kulturreferent DrDr. Schachner zu sich gebeten hat um Beratung über ein Projekt, das in der Luft steht: Wie kann man die Dürremonate Juli-August, in dem´s in Graz praktisch nur heißen Asphalt gibt, beleben. Ich habe meine Idee geäußert, hab ein kleines Konzept dazu gemacht. Sehr schnell. Dieses Konzept hat ihn begeistert. Er hat sich, so scheint es mir, voll hinter diese Idee gestellt und hat versucht, das durchzuziehen."

Das Konzept meinte, daß es in der genannten Zeit über acht Wochen an jeweils drei Abenden "ein herrliches Konzert" bei freiem Eintritt geben solle. Kleinschuster: "Es startet auf jeden Fall am 2. Juli."

Zu den Einwänden aus der "Szene" meinte Kleinschuster: "Wissen Sie, da sind im Vorfeld jetzt so Dinge hochgespielt worden. Die hätten besser in die Müllverwertung gehört. Wir haben mit dem nichts zu tun. Wir nehmen dort keinen Groschen weg."

Zu den Veranstaltern, die sich durch das Kleinschuster-Projekt konkurrenziert fühlen, meinte dieser: "Wenn sie Profis gewesen wären, hätten sie diese Budgets längst herausgehaut." Weiter: "Wir nehmen niemandem einen Groschen weg mit diesem Budget. Es haben sich die Zeiten geändert. Der Tiefschlaf, der zwanzigjährige, ist beendet."

Er präzisierte schließlich: "Es ist natürlich so. Viele von diesen sogenannten Veranstaltern sind ja auch gar nicht gekommen und haben darum gebeten, daß s´ein Geld haben wollen. So. Das dürf´ ma net überseh´n." Er betonte: "Es gibt keine Fronten. Es gibt nur eine Stelle, von der aus Müll verteilt wird. Ich tu da nicht mit. Das geht mich gar nix an."

Und: "Aber noch was. Vielleicht krieg ich so viel Kontakt zu dem ganzen Geschehen, daß ich auch, wie immer in meinem ganzen Leben, in der Lage sein kann und werde, auch diesen, wie soll ich sagen, "Freunde" kann ich nicht sagen, aber "Kollegen", sagen wir so, in dem Fall jetzt, unter die Arme zu greifen. Durch verbale Unterstützung. Wie immer. Weil nur eines ist klar: Wenn wir getrennt aufmarschieren, so wie das jetzt der Fall ist, da kommt gar nix raus. Gar nichts. Außer Müll. Hab ich schon gesagt."

Kleinschuster sagte: "Ich bin aber gerne bereit, mit allen anderen zusammenzuarbeiten, ohne ihre Projekte in irgendeiner Form zu berühren, zu schmälern oder sonst irgendwas."

redball.gif (925 Byte)

Top | Salon | Hausplan

 

Gerhard Kosel [13/98]
Leiter der  steirischen Jazz-Reihe "GamsbART":

19. March 1998 11:48:05
Message / From: GamsbART / gamsbart@stvp.or.at /
Subject: Kleinschuster / To: Martin Krusche

Lieber Martin ...
... Zu Erich Kleinschuster faellt mir nur ein, dass er seit 20 JAHREN EIN MUSIKALISCHES AUSLAUFMODELL DARSTELLT.
IM UEBRIGEN GILT FUER MICH DAS STATEMENT VON K.H. MIKLIN ANLAESSLICH DER PRESSEKONFERENZ von 6.Maerz1998, ueber das in allen Zeitungen berichtet wurde.

Liebe Gruesse
Gerhard Kosel

redball.gif (925 Byte)

Top | Salon | Hausplan

 

Martin Krusche [13/98]
Sekretär der Virtuellen Akademie Nitscha:

Ich hatte mir vorgenommen, in dieser Sache eher die Position eines Moderators einzunehmen, Informationen einzuholen und überschaubar zu machen. Aber beim Abtippen der Passagen des Kleinschuster-Interviews ist dieser Entschluß - wie man sehen kann - verrutscht.

Es ist uns allen vertraut, daß viele Menschen im Kunstbetrieb niedere Reizschwellen haben. Das liegt an verschiedenen, oft schwierigen Bedingungen solcher Existenz. Wir kennen das. Ich lebe nun seit zwanzig Jahren in diesem Milieu und bin einiges gewöhnt ... dennoch aktuell überrascht. Ich finde den herablassenden Zynismus, den der arrivierte Kleinschuster in diesem Interview zeigt, brüskierend und provokant.

Ich möchte annehmen, daß der Herr Professor dabei mindestens unter emotionalem Streß stand. Und vielleicht ist es auch so, daß ein situierter Mann seine Blicke auf andere Horizonte richtet als auf jene, die ich aus meinem Leben in der "Szene" kenne. Ich hoffe, daß eine derartige Tonlage hierzulande nicht das Zeug zum Trendsetting hat. Und ich mache mir natürlich Gedanken, was man gegebenenfalls dagegen unternehmen könnte, sollten sich derart paternalistische Attitüden kurzfristig durchsetzen.

Was mir zum Thema Tonfall noch einfällt ... Rolling Stones-Gitarrist Kreith Richards meinte einmal auf den Hinweis, er habe mit fast allen Gitarrengrößen gespielt: "Glück gehabt, nicht wahr?" und sagte nach einigen Bemerkungen über seine Erfahrung mit legendären Leuten: "Dabei hab ich gemerkt, daß alle großen Musiker im Grunde genommen Gentlemen sind." (Nachzulesen im Standard-Album vom 17.9.97)

redball.gif (925 Byte)

 

Karlheinz Miklin [14/98]
Leiter der Abteilung Jazz an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz

Moserhofgasse 39-41 - A-8010 Graz/Europe
Tel.: xx43(0) 316 472527; 472475
Fax: xx43 (0) 316 425386
e-mail: Ingrid.Windisch@mhsg.ac.at

30. März 1998

Lieber Herr Krusche,

meine Presseaussendung sowie die Dokumentation bisher geschehener Arbeit habe ich bereits geschickt.

Zusätzlich noch einige Gedanken:

1. Es ist prinzipiell gut, daß einmal etwas "passiert" im Jazz. Erster (und für alle Argumente immer wieder geltender) Kritikpunkt ist das abnorme Ausmaß der öffentlichen Mittel.
Wichtig (und unbedingt festzuhalten): Meine Kritik richtet sich nicht gegen die Person Kleinschuster, sondern dagegen, was wie passiert (und würde genauso gelten, wenn das Festival von Miles Davis oder Burschi Wachsmann in dieser Art gemacht würde).

2. Unglaubliche finanzielle Disproportion zu allem, was je geschehen ist und kaum unterstützt wurde (und es ist schon einiges geschehen....). Verhältnis ca. 6:1; 1:4 für eine punktuelle Großveranstaltung im Verhältnis zum gesamten Jahr wäre durchaus o.k.

3. Völlige Mißachtung bestehender Strukturen und Infrastrukturen mit allen Nachteilen inhaltlicher wie finanzieller Art.

4. Geringer Nutzen für die "Szene": Sommer = Urlaubs- und Ferienzeit (Jazzabteilung); offensichtlich kein oder kaum österreichische Musiker (wird als besonderer feature verkauft, z.B. Art Farmer mit "Amerikanern"...)

5. Stilistisch sehr beschränkter Ausschnitt des Jazz, allein auf den "Kurator" zugeschnitten. (Was ist eigentlich eine "Jazzlegende"?) Gerade höchstsubventionierte Veranstaltungen hätten vermehrt zwei Ziele:
a) Vielfalt zur Gewinnung möglichst vieler neuer Hörerschichten oder/und
b) vermehrte Zuwendung auf inhaltliche Schwerpunkte, da durch Subvention kein finanzielles Risiko
Zum Vergleich: "Jazz Meeting" drei stilistisch sehr unterschiedliche "Programmacher"; wegen der Subventionen - auch wenn sie im Verhältnis viel kleiner sind - auch Mut (und Verpflichtung) zu künstlerischen Innovationen.

6. Beispiel Absage Leibnitz: Es ist ganz konkret etwas "eingegangen" wegen des Projektes. Einfach unverzeihbar. Es ist mir noch kein Wort des Bedauerns zu Ohren gekommen.

7. Vorspiegelung falscher Tatsachen: Fast alle der "Legenden" waren - im Gegensatz zur Propaganda der "Exklusivität" schon (zum Teil sehr oft) in Graz und Umgebung. Die aufgewendeten Mittel dürften im Verhältnis 1:20 stehen.

Ich könnte noch ein paar Seiten vollschreiben; es gibt praktisch keinen Satz zur Verteidigung des Sommerfestivals (in der Art wie es geplant ist), der nicht sofort widerlegt oder zumindest mehr als relativert werden kann. Wobei sich jedes positive Argument durch das Verhältnis des finanziellen Aufwands zum - auch bei positivster Betrachtung - zu erwartenden Benefit automatisch auflöst. Bei der Zählung der erwarteten 50.000 Besucher wäre ich übrigens gern dabei (also ca. 6.000 pro Wochenende ...).

Mein Schreiben ist wohl etwas wirr und nicht immer ganz deutsch, aber ich fahre gleich nach Deutschland und wollte es noch vorher erledigt haben. Wenn's hilft ...

Liebe Grüße

redball.gif (925 Byte)

Top | Salon | Hausplan

 

Erwin Posarnig [13/98]
vom Projekt "Abseits vom Netz":

19. March 1998 14:28:24
Message / From: Erwin Posarnig sicher@online.edvg.co.at
Subject: mega jazz / To: Martin Krusche

Erwin Posarnig
Wolkensteingasse 24
A - 8020 Graz, Austria
Tel.: / Fax ++43 316 57 49 19
email: sicher@online.edvg.co.at

 mega
JAZZ
opa

Das "genauere Unterhalten" des Herrn Getzinger ist das kulturpolitisches Synonym für Kultur (Unterhaltung) im Sinne von Brot und Spiele. Zeichen der allgemeinen Tendenz zu kulturellen Megaereignissen sowie der Verlust von qualitativ hochwertigen musikalischen "Kleinveranstaltungen" in der Steiermark.

Geblendet von Besucherzahlen als zukünftig erhoffte Wählerresource und des zu erwartenden JAZZ-Kommerzes des Jazzopas Kleinschuster, schöpfen die momentan zuständigen kulturpolitischen Verantwortlichen aus dem Topf der Kulturförderung und ziehen den innovativen bestehenden steirischen Initiativen den Boden unter den Füßen weg.

erwin posarnig

redball.gif (925 Byte)

Top | Salon | Hausplan

 

Klemens Riegler
südtiroler Jazzveranstalter

27. March 1998 19:47:22 / Message /
From: klemens.riegler@acomedia.it /
Subject: Mein Beitrag zum Thema KULTUR /
To: Martin Krusche

Hallo Michael,

jetzt habe ich Deinen Diskurs durch.

Es scheint also überall dieselbe Scheisse zu sein, öffentliches Geld wird für Grossaktionen hergegeben und die kleine Kulturförderung leidet dann teilweise darunter. Offen bleibt allerdings immer wieder ob die Angst berechtigt ist, denn auch hierzulande hat man Angst, dass durch Grossprojekte den Kleinen der Hahn abgedreht wird. Ich kann es allerdings nicht ganz glauben, denn am Ende bringen doch die vielen Kleinen die Wählerstimmen und nicht ein Grosser aus dem Ausland oder einer anderen Provinz, Region, Bundesland. Ich glaube nicht, dass sich die Politik das auf die Dauer leisten kann.

Zu den 50.000 erwarteten Zuschauern bei einem Jazz-Event möchte ich nur sagen, daß ihr alle zusammen eine grosse Wette eingehen solltet. Die 50000 kommen doch nie. Wenn die dann nicht kommen, wie versprochen, sollen Euch die Herren die veranschlagte Summe auszahlen. Da gewinnt Ihr zu 100%. Dazu kommt, dass die Herren mit ihren Aktionen nicht Kultur, sondern Image-Werbung betreiben - Ihnen geht es um den grossen Event und nicht um die Kultur. Aktionen dieser Art muessten aus einem Tourismus oder Werbefond bezahlt werden und nicht aus den Kulturfonds.

Ich muss jetzt leider gehen

Gruesse Klemens

redball.gif (925 Byte)

Top | Home | Salon | Hausplan