martin krusches [flame] high performance


Klein und giftig
Von Martin Krusche

Das Kürzel R/T steht für "Road" und "Track", womit einst Autos markiert wurden, die gerüstet waren, auf der Rennstrecke und im Straßenverkehr gleichermaßen Bestand zu haben. Denkt man dabei an V8, wird es dazu kaum eine würdigere Assoziation geben als den Dodge Charger R/T. (Es sei dazu gesagt: 1968.)

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Dieser Dodge Charger steht als Miniatur in meiner Sammlung.
Schnauze und C-Säule sind absolut unverwechselbar.

Das wären dann in der Hemi-Version rund 370 PS aus 7,2 Litern Hubraum eines mächtigen Mopar-V8. Einen energischen Start beschrieb Bernd Woytal in "Motor Klassik" 11/2007 so: "Kleine schwarze Krümel fliegen davon, die Luft riecht nach verbranntem Gummi -- und der Charger verschwindet im Rauch, als hätte jemand eine Nebelbombe gezündet."

Das wäre das eine Ende des Regenbogens. Dort wird aus scheinbar unerschöpflichen Materialdepots und Spritmengen dieses noble Verbrennen von Geld inszeniert. Basierend auf dem Know how inspirierter Techniker, geregelt von unerschrockenen Piloten. Denn so eine Bestie verhält sich grundlegend anders, als etwa ein aktueller und höchst komfortabler Porsche Cayenne, der zwar rund 500 Kilo schwerer ist, dafür aber von 500 PS getrieben wird, die allerhand EDV zur Seite haben. (Sogenannte "Fahrerassistenzsysteme".)

Ja, ich weiß schon: Äpfel und Birnen kann man nicht vergleichen. Ich wollte bloß einen scharfen Kontrast zeichnen. Am anderen Ende des Regenbogens automobiler Subkultur- Freuden stehen nämlich Fahrzeuge wie die von Carlo Abarth. Gemessen am Charger: Klein, leicht, süße Motörchen, winziger Hubraum, nichts zu verschenken, auch kein Gummi zu verbrennen. Denn diese Nachkriegs-Renner sind aus dem maximalen Minimum herausgefräst. Sparsamkeit? Aber nein! Effizienz. Optimales verhältnis von Preis, Mitteln und Leistung.

So wurde eine der frühen Legenden des Hauses Abarth aus dem Fiat 600 abgeleitet. Ich meine: 600 ccm! Das würde der Heimwerkerkönig Tim Taylor nicht einmal bei seinem Rasenmäher zufriedenstellend finden. Dieser Fiat hat besonderen Rang in der Automobilgeschichte, denn er war jener konstruktive Zwischenschritt, durch den das Team von Dante Giacosa zum Fiat nuova 500 kam, dem wohl bedeutendste und populärsten Kleinwagen, seit es Autos gibt.

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Aus einem amtlichen Fiat 600 wurde eine Berlina Corsa mit
850 ccm Hubraum, oder -- wie hier -- ein 1000 TC.

Warum ich das hier erzähle, wo mutmaßlich vor allem V8-Verehrer hereinschauen werden? Na, ein exzellenter Ingenieur ist eben ein exzellenter Ingenieur. Ob bei sieben Litern Hubraum oder bei 0,75. (Ha! Auch ein gutes Maß für vorzüglichen Wein.) Und Carlo Abarth war mehr als das, denn er kam aus der Praxis eines Rennfahrers, nicht von einer technischen Universität.

Er darf demnach für Europa in dem Rang gesehen werden, wie etwa Carroll Shelby auf dem Feld amerikanischer Siebenliter-Monster. Ich habe oben nicht umsonst eine Polarität gezeichnet, die zwei Enden des gleichen Regenbogens markiert. Es ist der Ereignisbogen des gleichen Teils unserer Automobilhistorie.

Mit interessanten Verknüpfungen. Wenn ich mich nicht irre, hatten nämlich beide Herren, Abarth und Carroll, gelegentlich mit Briggs Cunningham zu tun. Es gibt also reale Sinnverbindungen.

Den Kontrast solcher Fahrzeuge muß man nicht gegen einander ausspielen. Äpfel sind keine Birnen, klar? (Carlo Abarth aß in seinen späteren Jahren Äpfel pro Tag in Kilomengen. Kein Witz! Siehe Logbuch-Eintrag #35!)  Ich hab eben erst auf dem österreichischen Wachauring zu sehen bekommen, daß man für verschiedene Situationen eben sehr verschiedene Fahrzeuge braucht.

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Flach und fies: Zirka 1991 auf einer Testarossa-Basis aufgebaut.

Ein Ferraristo hatte dort seine Flunder auf Testarossa-Basis im Einsatz. Mächtig aufgeladene 1.200 PS, die nicht zum Tragen kommen konnten. "Ich bin über den zweiten Gang nicht hinausgekommen." Der Kurs zu winkelig, keine ausreichende Gerade.

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Ferraristo und Abarthist auf dem selben Set, quasi als "transkontinentale
Rennrealität" im dezenten Kontrast.

In der Plauderei verriet mir der Mann: "Und bei Bergrennen fahren mir die Kleinen um die Ohren." Da gab es in den 1960ern so manches "Porsche-Abstrafgerät", das wie ein biederes Nähkästchen daher kam, um auf der Autobahn einen 911er herzubrennen. (Sehr lustige Vorstellung.)

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Links hinten (mit Schirmkappe) Franz R. Steinbacher, vormals Mechaniker bei Carlo Abarth.
Am Steuer Leo Aumüller. Rechts Anneliese Abarth, die Witwe des Signore.

Allerdings konnte auch Carlo Abarth mit V8 durchaus was anfangen. Doch auch dabei eher minimalistisch. Denn wenn man jenen Prototyp von 1968 näher betrachtet, mit dem Signore Leo Aumüller sich auf dem Wachauring unter die kleinere Gesellschaft mischte, findet man alles weggelassen, was zum Fahren nicht unbedingt nötig ist.

Da dürfen dann drei Liter Hubraum genügen, und dennoch, so Aumüller, "reißt der weg, daß du dich schreckst". Er läßt dabei bloß nicht die Erde beben, wie der Charger. Die Luft zittert aber allemal über dem Roten mit dem würdigen Kennzeichen "PROVA TO-812". Also aus Turin. ("Prova" ist das italienische Wort für "Versuch", "Test", "Probe".)

[Abarth im Überblick]

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