martin krusches [flame] logbuch / blatt #35


Ein elektronisches Postkarterl aus Aspern. Gut zu erkennen: Das ist eine Abarth-Flotte. Nein! Genau genommen eher eine "Squadra". Dazu ein knapper Begleittext:

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>>Hallo Martin, rat mal wessen Auto da aus der Mitte rausragt. *MEGAGRINS* Hach ich bin ein glücklicher Mann...<<

Also ein neuer Grande Punto Abarth zwischen lauter hochkarätigen Klassikern. Ich führe mit meinem Dottore nun schon über etliche Jahre eine rege Korrespondenz, in der wir unsere Fundstücke erörtern. Das macht Freude, kostet Zeit, geht sehr emotional daher, läuft also ganz richtig; siehe [fette beute] ... Das erste Blatt mit einem Monteverdi Sierra ging in der 19. Kalenderwoche 2004 online.

Heuer war es dann zwischenzeitlich sehr still geworden. Wir hatten beide mehr um die Ohren, als sich leicht abarbeiten ließ. Die bezahlte Arbeit hat natürlich oft Vorrang, damit es keine Probleme mit den zu bezahlenden Rechnungen gibt.

Doch was dem Dottore die Freizeit verkürzte, war an unseren gemeinsamen Themen stets nahe dran. Sehr exklusiv. Denn eines Tages ließ er mich ahnen, daß die Marke Abarth einen Neustart erleben solle. Nicht einfach als „Rebadging“, also ein Bekleben vorhandener Fahrzeuge mit anderen "Badges". (Siehe als Beispiel für die bedeutung von "Rebadging" einen Ford, der vorne als Mercury, hinten als Capri auftritt, dabei eigentlich ein 3er-Mustang ist. Etwas verwirrend!)

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Nein, eine eigene Fiat-Linie stand zur Debatte. Und mein Dottore hat inzwischen neue Visitenkarten gedruckt bekommen, auf denen ein goldener Skorpion prangt. (In Amerika sagen sie: „Stinger“.) Genau! Das Sternzeichen von Karl „Carlo“ Abarth, der heuer seinen hundertsten Geburtstag zu feiern hätte.

Auf einem Pressefoto Abarths, das der Fiat-Konzern zur Verfügung hält, sieht man ihn als „Apfelesser“. Der vormalige Rennfahrer begann mit dem Optimieren von Autos, tat sich schließlich als Konstrukteur hervor, und durfte unter seiner Marke eine einschüchternde Anzahl von Siegen notieren. [Große Ansicht]

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Was die Äpfel angeht, schrieb Herbert Völker, der wohl bedeutendste Motor-Journalist Österreichs, in der „autorevue“ 11/07, daß Abarth als älterer Herr noch einmal persönlich einige Kurzstrecken-Weltrekordfahrten angehen wollte. Um in das extrem enge Cockpit zu passen, habe er nennenswert Gewicht abnehmen müssen. Völker: „Aus dieser Zeit stammt seine Apfel-Diät, er hatte jeweils eine Kiste Äpfel im Büro, daheim und an den Boxen stehen.“

Ich habe in einem anderen Beitrag auf dieser Website Carlo Abarth in einem Atemzug mit Briggs Cunningham genannt und Carroll Shelby den beiden nachgeordnet. [link] Natürlich würden die meisten Abarths, wären sie neben den meisten Cunninghams aufgestellt, auf Anhieb wirken, wie Bambi neben einer Bulldogge.

Aber der flüchtige Augenschein trügt. Blickt man auf den jeweiligen Werdegang der beiden Männer, ihre Wege vom Rennfahrer zum Konstrukteur, denkt man an technisches Potenzial und Legendenstatus (ja, das Irrationale zählt sehr viel in diesem Metier), denkt man an Spirit und effiziente Ergebnisse, an Hintergrundgeschichten und Querverbindungen, dann sind Cunningham und Abarth zwei markante Positionen an den Enden eines Regenbogens, der sich zwischen Europa und den USA spannt.

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Womit alles begann: Die klassische "Berlina", abgeleitet
vom Fiat 600, hier mutmaßlich auf ziemlich amtlichen Campagnolo-Felgen

Um eine Ahnung zu geben, was „Abarth“ bald nach seinem Auftauchen in der Autorennszene bedeutet hat, werfen Sie bitte mit mir einen kurzen Blick nach Sebring. Es ist das Jahr 1958. „International Twelve-Hour Grand Prix of Endurance“ klingt nicht gerade nach einer Spazierfahrt.

Die Times berichtete am 31. Mai 1958, noch nie zuvor in seiner „lärmenden, autovernichtenden Geschichte“ habe es bei diesem Rennen so viele Hauptakteure so schnell derschmissen. Es sei ein mächtiges „Verkehrsproblem“ entstanden. Alleine dieser Horror von dichtem Verkehr hätte Großstadt-Sonntagsfahrer nach der nächsten Parklücke kreischen lassen, hieß es da.

Und jetzt kommt’s:
>>Schnarrende kleine (747 ccm) Abarth-Fiats kämpften um ihr Wegerecht an der Seite der arrogant-muskulösen Klasse D-Giganten (bis zu drei Liter Hubraum), den Ferraris, Jaguars und Aston Martins.<<

In der wirbeligen Konfusion hat es, so der Bericht, viele der Giganten von der Strecke geschmissen. Man darf vermuten, daß die Abarth-Piloten reichlich Courage brauchten, um in diesem Durcheinander und bei der Konkurrenz ihre Strecke zu machen.

Die Originalpassage in der „Times“:
>>The terrifying traffic problem alone would have sent a big-city Sunday driver screaming for the nearest parking lot. Snarling little (747 cc.) Abarth-Fiats fought for the right of way with the chesty Class "D" (up to three liters) giants -- the Ferraris, Jags and Aston-Martins. In the swirling confusion, a Ferrari rode right up the rear end of a Jaguar, and both cars spun off the track...<< [Quelle]

Vier Jahre davor hatte der „No. 1 man in U.S. sports-car racing“, nämlich Briggs Cunningham, den italienischen Lancias in Sebring folgende Nachrede verpaßt:

>>I waved him by just before we hit the curve, and the next thing I knew -- vvrroooom -- and he was long gone. He beat me to the next curve by 100 yds.<< [Quelle]

Können Sie sich demnach ausmalen, welchen Eindruck die Abraths in den Staaten hinterlassen haben?

[Abarth im Überblick]
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