History, Seite #3

Wer als Bürgerin oder Bürger dieses Landes ein angemessenes Selbstbewußtsein hat, wird die düsteren Seiten der eigenen Geschichte ebenso zur Kenntnis nehmen wie die strahlenden.

Das ist schon aus bloß sachlichen Gründen wichtig, denn wie sollte man komplexe Vorgänge begreifen, wenn man nur einen Teil davon betrachtet?

Ich habe immer wieder Puch-Fans kennengelernt, die bezüglich der Nazi-Zeit entweder spröde Vermeidungshaltungen zeigen oder gar ein peinliches Leugnen von Tatsachen. Manchmal kann man auch aggressiven Rassisten begegnen, die bloß auf ein Zeichen warten, welches sie als Billigung ihrer Ansichten deuten, und schon bricht es aus ihnen heraus.

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Ein deutscher Uniformierter schikaniert einen Juden im besetzten Polen, Herbst 1939. (Ein Ausschnitt des Fotos wurde 1939 im „Stürmer“ veröffentlicht, darauf fehlen die Kinder, die am Rand stehen und zuschauen.) Quelle: Stadtarchiv Nürnberg/Signatur E 39 Nr. 1703/21

Ich habe keine Laune, jemanden belehren zu wollen, aber ich finde diese Haltungen erbärmlich; all dieses Lavieren, das Schönreden, das Verniedlichen und das Verharmlosen. Unwürdige Posen, die einem außerdem ein Verständnis dessen beschneiden, was Industrie bedeutet.

Die Steyr-Daimler-Puch AG war ein so prominenter Mischkonzern Österreichs, da erübrigt sich ja die Frage, ob dort für das Verbrechersystem der Nazi gearbeitet wurde. Ist das Wasser naß? Ist der Papst katholisch? Selbstverständlich ist das so.

Das Zweier-Werk in Graz-Thondorf war ein Produkt dieser historischen Verbindung von Industrie und Tyrannei. Dort gab es natürlich eine intensive Rüstungsproduktion. Das gilt ebenso für Steyr und für viele kleinere Orte in Österreich.

Daher ist auch unbestreitbar, daß im Konzern Arbeitssklaven eingesetzt wurden, daß KZ-Insassen schuften mußten wie aus allen Teilen eroberter Gebiete Menschen zur Zwangsarbeit hergeschafft wurden. Wie genießen noch heute Zins und Zinseszins dieser Raubzüge.

Wenn Sie mit alten Puchianern reden, so sie als vertrauenswürdig gelten, erfahren Sie anstandslos, wer im Grazer Zweier-Werk ein "schwerer Nazi" gewesen ist. Das war in der Nachkriegszeit kein Geheimnis, davon wird heute noch gesprochen.

Das wird nicht ausposaunt, auch nicht geleugnet, das wird eben manchmal im Gespräch erwähnt. Manchmal kommt es freilich auf eine Art daher, die allen Regeln des Anstandes spottet.

So ging es mir heuer im Winter mit einem Mechaniker von vorzüglicher Fachkenntnis, nicht mehr ganz taufrisch, aber zu jung, um die Nazi-Zeit erlebt zu haben. Siehe dazu meinen Logbuch-Eintrag vom 22. Jänner 2016: [link]

Wer Puch-Fan ist, braucht für diese Aspekte der Menschenverachtung ja kein reges Interesse zusammenzukratzen, möge aber mit Respekt zur Kenntnis nehmen, daß es diese Seiten des Konzerns gab und daß einige Menschen unter uns sich um ein vollständiges Bild bemühen.

So bietet derzeit das
Museum Arbeitswelt Steyr die Ausstellung
"Zwangsarbeit im Nationalsozialismus" [link]

Diese Einrichtung hat ihrerseits schon eine Geschichte von mehreren Jahrzehnten: "Mit der oberösterreichischen Landesausstellung „Arbeit/Mensch/Maschine. Der Weg in die Industriegesellschaft” von 1987 wurde das erste österreichische Arbeitsweltmuseum errichtet." (Quelle)

Anmerkung zum Foto:
Die Geschichte des Abendlandes ist davon geprägt, daß oftmals die Knechte nicht träumen frei zu sein, sondern Herren zu sein. So wollte unter unseren Leuten dann der kleine Spießer, wenn schon nicht Herr, so wenigstens Herrenmensch sein. Eine Pose, die bis heute nicht aus der Mode gekommen ist.

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22•16