kunst ost (presse-spiegel) 2011: texte

Netzwerk der Eitelkeiten
Der Fall Herberstein, ein prächtiges steirisches Fiasko
Von Martin Krusche

Sonntagsruhe? Nicht am Sonntag, dem 9. Jänner dieses Jahres. Dabei hatte der Mann da seinen Geburtstag. Kein Grund für ihn, die Arbeit ruhen zu lassen. Frau Olga kochte für uns. Das stille Extrazimmer im Gleisdorfer Gasthaus Wurm war längst zum Büro geworden.

Heinz Boxan ist ein akkurater Mensch mit einem Hauch von grimmigem Humor. Ich bin nun schon einige Zeit als sein Sekretär tätig. So erhalte ich aus erster Hand eine Innenansicht des vermutlich schillerndsten Kriminalfalles, den die Steiermark nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Es ist zu komisch, selbst erfahrene Journalisten haben dabei in sich plötzlich ganz lyrische Seiten entdeckt. Die Landespolitik wurde in einigen Fundamenten erschüttert und die Beamtenschaft auf hoher Ebene durchgerüttelt.

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Heinz Boxan (rechts) und Verleger Reinhard Wernbacher

Haben Sie es nun wieder? Genau! Es geht da um den Fall Herberstein. Das Skurrilste daran ist eigentlich die falsche Gräfin, denn Andrea Herberstein ließ sich über viele Jahre so ansprechen und in den Medien promoten. Ein ziemlich unmißverständliches Gesetz aus dem Jahre 1919 verbietet es in Österreich, Adelsprädikate zu führen und Adelsprivilegien in Anspruch zu nehmen.

Die Tochter eines renommierten Salzburger Wissenschafters, in den 1950ern geboren, konnte also auf keine Weise „Gräfin" werden. Aber unzählige Menschen aus annähernd allen sozialen Schichten haben diese Dame hofiert, in dieser Inszenierung bestätigt und so den Glanz erzeugt, in dem sie sich alle dann selbst sonnen wollten.

Heinz Boxan war der Gutsverwalter und ist gemeinsam mit Andrea Herberstein vom Gericht verurteilt worden. Das Urteil der ersten Instanz umfaßt annähernd 500 Seiten. Das ist also eine große Geschichte und es hat dabei gewaltig gekracht. Nun muß es rund ein Jahr her sein, daß sich Boxan und Herausgeber Reinhard Wernbacher begegneten. In der Folge entstand wohl die Idee zu dem Buch, das demnächst erscheinen wird.

Ich kam in's Spiel, weil eine aktuelle Finanzkrise des Landes Steiermark bis herunter auf kommunale Ebenen die Kulturbudgets zum Einstürzen brachte. Das drohte unser regionales Kulturprojekt „kunst ost" wegzuschwemmen. Also suchte ich nach einer Arbeit, mit der wir dieses Finanzdesaster kompensieren können. So erbrachte nun unsere soziokulturelle Drehscheibe jene Dienstleistung. Das war eine große „Papierfresserei". Es gab wahrlich Berge von Papier durchzusehen, für die Publikation zu ordnen und durch Recherchen gegenzuchecken. Als Sekretär von Heinz Boxan hatte ich natürlich auch ausladende Debatten mit ihm geführt, um einzelne Umstände der Geschichte zu verstehen.

In der ganzen Sache stecken haarsträubende Details. Ich habe noch nie zuvor so genauen Einblick in Abläufe bekommen, bei denen letztlich eine für mich unvorstellbare Summe Geldes versenkt worden ist. Und das vor dem Hintergrund der Familiengeschichte einer Dynastie, von der ich sagen würde: Die waren wer in Österreich. Treue Gefolgsleute des Hauses Habsburg, Würdenträger in einer langen Kette von erstaunlichen Funktionen und Ämtern.

Am vorläufigen Ende dieser glanzvollen Geschichte steht eine komische Tragödie, in der sich Eitelkeit, Habgier und Geltungsdrang auf abenteuerliche Weise zu einer Kriminalgeschichte vermischen. Ich bin immer noch von Boxans ausführlicher Schilderung verblüfft, weil man eigentlich nicht glauben möchte, was da im Detail dargelegt ist.

Erschienenen in
Die oststeirische
Februar 2011

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