27. Jänner 2008

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Stürmische Tage im Land. Katastrophenalarm in Graz. Ich hab abgetragene Dächer vorgefunden, umgestürzte Bäume. Wir verwöhnten Wesen erleben kurz, wie die vertraute Sicherheit und der Schutz vor Wildnis in Augenblicken ausfallen können.

Willkommene Anregungen, um darüber nachzudenken, was wir mit "Zivilisation" und "Kultur" eigentlich meinen. Im Kern sicherlich: Gewaltverzicht und Schutz, um Möglichkeitsräume zu schaffen, in denen ... aber wieso! Wieso wird das anderen Menschen, vor allem vielen, die nicht hier geboren wurden, so leicht vorenthalten? Sicherheit. Schutz vor Wildnis.

Und wenn das nicht ALLEN Menschen vorbehaltlos zusteht, warum dann gerade UNS, die wir hier geboren wurden? Worauf stützt sich solcher Anspruch und wie wird er legitimiert?

Nach dem Schutz vor Wildnis wäre sogleich der Schutz vor Tyrannis zu erörtern. Das ist für mich selbstverständlich auch eine Debatte über Agenda der Kunst. Bei "next code: space" gibt es eine Notiz, wonach der Künstler Walter Kratner die Architektur als "Königin der Künste" angesprochen hat. [link]

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Die Tyrannis, die Kunst und die Architektur. Solche Dinge habe ich eben mit Mark Blaschitz vom "SPLITTERWERK" erörtert. Er sagt provokant, in Österreich gebe es zur Zeit überhaupt keine Architektur, bloß Baudienstleistung, denn: "Gebautes ist zu unterscheiden in Baudienstleistung und Kunst."

Was ist nun Kunst und was Dienstleistung? Davon wird hier noch zu erzählen sein. Wir haben nach einigen Grundlagen der "Moderne" gesehen. Und danach, wie sich Mies van der Rohe bei Goebbels angebiedert hat, also der Tyrannis, was durch einen unmißverständlichen Brief dokumentiert ist, dem der als Architektur-Prätendent gescheiterte Hitler einen Riegel vorschob, wie sich ferner "Bauhaus"-Granden, so Blaschitz, in Amerika ein zweites Mal angebiedert haben, diesmal der Bauwirtschaft; und wie das alles als "Zweite Moderne" nach Europa zurückgekommen ist ... in diesen Vorgängen liegen Zusammenhänge, deren WIRKUNG gar nicht überschätzt werden kann. So meine Schlußfolgerung aus dem Gespräch mit Blaschitz.

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Derlei inhaltlichen Arbeitsschritte gehören auch zu den Angelegenheiten von "kunst O.ST". Ein aktuelles Treffen in Unterfladnitz zeigte: Diese Geschichte hat sich nun in einer ersten Stufen sehr gut konsolidiert. Seit vergangenem Frühjahr gibt es allmonatlich Arbeitstreffen, in denen die Arbeitsergebnisse voran gebracht werden. Und nie waren weniger als 15 Leute am Tisch, meist noch mehr. Somit beginnt ein kulturpolitisches Novum in der Region zu greifen.

Aber es ist daran vielleicht weit wichtiger, daß hier eine Kontinuität gelingt, in der vor allem einige grundlegende Diskurse geführt und in andere Bereiche verzweigt werden. Das berührt freilich auch politische Fragestellungen.

Wenn Gleisdorfs Bürgermeister angesichts der Wahlbeteiligung in der Landeshauptstadt Graz meinte, es habe sich "jeder Zweite von der Demokratie verabschiedet", was ich nicht hoffen oder mir ausmalen möchte, muß im Blickfeld bleiben, wie sich Staat, Markt und Zivilgesellschaft zu einander verhalten können/sollen. Nicht als Gegenstand einer bloß akademischen Debatte, sondern auf unsere Lebenspraxis bezogen. (Siehe dazu den Eintrag #60 im Projektlogbuch von "next code"!)

Cut!

Weiter zum Thema Tyrannis. Diese Zeilen in "Der Standard" haben mir freilich auf Anhieb die Rede verschlagen.

Im vollständigen Artikel findet man allerdings keinen Hinweis auf Gründe. Wir haben es also mit Kolportage zu tun, denn Ivanji hatte offenbar keine Gelegenheit, Handke zu fragen: Warum?

Moment! Ich bezweifle im Augenblick nicht, daß Handke GESAGT hat, was hier zu lesen steht. Ich frage mich bloß: Was hat er damit gemeint und was hat er da getan?

Denn ich halte es vorerst für ausgeschlossen, daß Handke sich zum Fürsprecher des radikalen Nationalismus, also der Tyrannis, macht. Ich denke, daß er hier bewußt provoziert, um eine Debatte loszutreten.

Aber es bleibt nun abzuwarten, was diesem Auftakt folgt.

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Was also hat er gemeint, wenn es so war, wie es hier zitiert wurde? Wen hat es gemeint und wo zielt es hin? Das sollte in den kommenden Tagen noch deutlicher werden können ...

[Zu Peter Handke]


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