2. August 2009

Der Ferrari 599 im gestrigen Eintrag hat noch für einigen Gesprächsstoff gesorgt. Ich fand ganz bemerkenswert, wie schnell eine Verbindung besteht zwischen dem Interesse junger Frauen an einem Mann, wenn er aus so einem Auto steigt. Was wäre eigentlich des Gegenstück, die umgekehrte Position? Ich vermute, wir Mannsbilder reagieren da eher auf die leibliche Erscheinung einer Frau als auf die Accessoires.

In der Plauderei mit meinem Dämon Vogeltanz, kurz davor, hatte er die These geäußert, blendende körperliche Erscheinung sei heute ein hoch bewertetes Gut und natürlich auch eine Frage der eigenen finanziellen Möglichkeiten, um keinen Mist zu fressen, das passende Fitness-Programm zu fahren und sich bei Bedarf einen "personal coach" zu leisten. Kurz, wir beide wären 15 bis 20 Kilo leichter, wenn wir materiell besser gestellt wären.

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Ich halte diese Themen aber vorerst einmal lieber von meinem preiswerten Hobby getrennt. Meine Wege als Automobil-Paparazzo bringen mir auch weniger glamouröse Beute. So in Weiz diesen fein gepflegten VW Typ 1, dessen größte Merkwürdigkeit darin liegt, daß er technisch- konzeptionell schon alt war, als er nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals auf den Markt kam. Und dennoch wurde kaum ein anderes Auto so lange gebaut. (Der Grazer Puch G spielt inzwischen mit rund 30 Jahren auch in dieser Langzeit-Liga.)

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Automobile, Vogeltanz, Puch G, das weist nun auf "den Hofrat" hin, hier zu meiner Linken, mit dem ich im wohligen Schatten eines alten Baumes gestern Wein geteilt hab, der "Smaragd" im Namen trug. Wir haben stets über klassische Automobile zu reden. Das ist eine Geschichte, die sich über Jahre entfaltet. Ja, es sind Fetische. Daran kann kein Zweifel bestehen.

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Nach dem smaragdenen Wein führte mein Weg noch in ganz andere Abteilungen, worüber ich die Kunsttheorie Luhmanns völlig vergaß, frühabends erschöpft und trunken auf meinem Sofa einschlief und mir nach Mitternacht "Die Brücke am Kwai" ansah.

Warum ich das so erzähle? Es ist dieser Strom derart kontrastreicher Themenlinien, worin ich manchmal völlig verloren gehe. Was sich dann subjektiv wie ein erhebliches Orientierungsproblem anfühlt, ist aber letztlich die fruchtbare Normalität in einer Profession, die zwar von romantischen Motiven umstellt ist, die im Kern jedoch ganz unaufgeregt gelebt werden mag.

Im günstigsten Fall sind immer etwas mehr Kanäle offen, als leicht bewältigbar erscheint. Novi Sad kommt als Thema gerade wieder herein. Ich hatte Zivko Grozdanic, den Leiter des dortigen  "Museum für Gegenwartskunst", vergangenen März kennengelernt.

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Er ist einer jener südslawischen Künstler und Intellektuellen, die sich mit den Vorbedingungen und Konsequenzen des jugoslawischen Sezessionskrieges hart auseinandersetzen. Nun ist er Teil eines Trios, von dem ein Stück dieser Auseinandersetzung nach Graz verzweigt wird: "real presence" (Über die Väter und Vorväter oder Was ist Kunst, Herr Patriarch?)

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Mirjana Peitler-Selakov bezieht sich in ihrer Einleitung auf den Roman "Väter und Vorväter" ("Ocevi i Oci") des Autors Slobodan Selenic, schreibt:

>>Es ist die Geschichte eines Milieus, dessen historische Kraft und Bewusstsein nicht stark genug waren, um demokratische Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen. Weil der bürgerliche Geist nicht fähig war, sich den totalitären Ideologien entgegenzustellen, verlor er die Orientierung, jeden Maßstab und letztendlich auch das Selbstwertgefühl.<< [Quelle]

Wir erzählen uns die Welt. Und nun bin ich doch wieder bei Niklas Luhmann. Der meinte: "Das Kunstwerk selbst engagiert den Beobachter mit Wahrnehmungsleistungen ..." Sehen, hören, von anderen als wahrnehmend beobachtet werden, was ja seinerseits wieder zu solchen Vorgängen anregt; Luhmann: "Auf diese Weise wird eine unnegierbare Sozialität erreicht." (Die Zitate stammen aus "Die Kunst der Gesellschaft".)

Wer sind aber nun die bestimmenden Personen und was die bestimmenden Kräfte in so einer "unnegierbaren Sozialität"? Sie werden verstehen, daß einer wie ich es nicht hinnehmen kann, diese Möglichkeiten nur bei den gut eingeführten "Deutungseliten" verwahrt zu sehen. Wir treten vom Kunstfeld her in die Mitte solcher Zusammenhänge und beanspruchen Teilhabe an dieser Definitionshoheit.


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