| 8. Dezember 2009 Es wäre
        vollkommen unvernünftig, heute ein Fahrzeug mit so schweren Gußteilen auszustatten. Je
        mehr Gewicht man mitschleppt, desto höher der Energieumsatz. Ein wichtiges Detail!
        Energie kann nämlich nicht verbraucht werden, kann nicht verloren gehen. Sie wird
        umgesetzt. (Von einem Zustand in den anderen.) 
 Aber es ging ja eben nicht um das Energie-Thema, sondern um
        den heimeligen Anblick solcher Designs. Eine betagte Vespa in ausgezeichnetem Zustand, mit
        Komponenten versehen, die Gediegenheit ausdrücken. Erinnerung daran, daß eine
        Massenkultur, mit gestanztem Blech und endlosem Plastik ausgestattet, eine ganz anders
        gelagerte Vorgeschichte hat. 
 Das Solide statt dem Tand. Bei den Minoriten in Graz ist
        gerade dieser vorzügliche Slogan angebracht. Ich mag solche Sicht der Sache sehr.
        Dagegen: Bohemehafte Wesen, die komische Hütchen tragen und sich auffällig benehmen, um
        sich den Spießbürgern als "unangepaßte Künstler" zu rekommandieren, oft
        bloß die Klamotte von Spießern, denen das Geld ausgegangen ist, hängen mir zum Hals
        heraus. Kunst als Ernstfall des Lebens, das bedeutet freilich auch,
        daß wir in unserem Milieu jede dreckige Seite finden, zu der sich Menschen mitunter
        hinreißen lassen. Aber das beschäftigt mich im Augenblick gar nicht so sehr. Die
        Erfahrung zeigt, daß die Deppen und die Primadonnen sich oft in einander verkeilen. Wo
        das geschieht, muß man ja nicht bleiben.    The rice was nice! Neben mir: Michaela Zingerle ist die
        Organisationsleiterin unseres Kunstvereins "kunst ost". Mit ihr und Finanz-Chefin Christa Ecker-Eckhofen
        beendete ich eine Grazer Session in einem asiatischen Lokal, wo ein Thai-Curry mir jene
        Geschmacksexplosionen im Mund bescherte, die mir schmerzlich abgehen, wenn es sie länger
        nicht gibt. 
 Das sind nicht die einzigen Vergnügungen solcher Tage, die
        Arbeit selbst zählt auch dazu. Heute werden wir in Klausur gehen, um weitere Details und
        Weichenstellungen zu erarbeiten, die einem kulturellen Modell neue Perspektiven
        verschaffen sollen. Es geht im Kern darum, die Genres Alltagskultur,
        Kunsthandwerk, Voluntary Arts und Gegenwartskunst inhaltlich wie konzeptionell so
        zu verknüpfen, daß ein kontinuierliches Arbeiten jenseits des Landeszentrums möglich
        wird, in dem unterm Strich der Stellenwert von Gegenwartskunst steigt. Wie oben erwähnt: Kunst als Ernstfall des Lebens. (Diese
        Formulierung würde ich klauen wollen.) Das deutet sehr klar an, worum es im Grunde geht.
        Das hat lokale und regionale Bezugspunkte. Dabei gehen wir aber auch transnationale Themen
        an. Zumal mit unseren "alten Nachbarn", die uns, wie ich an anderer Stelle schon
        erwähnt habe, zwar schon ein wenig fremd geworden sind. Doch ausschließlich in Dialogen
        und Wechselspielen mit ihnen ist dieses Europa geworden, was es ist. Wer mir dabei in die Ohren brüllt, es sei ein
        abendländisches, ein christliches Europa, betont damit vor allem, daß er immer noch
        braver Untertan des Hauses Habsburg ist, denn wessen Herrschaft, dessen Religion, das
        sitzt tief in unseren kleinen Seelchen, in den Herzen der Enkel und Urenkel vom Personal
        des Gottesgnadentums. Ich sage das gerne so: Unsere alten Nachbarn. Wie etwa
        Nenad Popovic, kürzlich noch ein Jugoslawe, jetzt ein Kroate, vor wenigen Tagen mein Gast
        in Gleisdorf: [link]
        Zum "lab3", das wir in Gleisdorf realisieren werden, schrieb er mir eben:>>«Trauma». Nach meiner Meinung hat sich der fast
        zehnjaehrige Vernichtungskrieg (1991 Slowenien, Kroatien bis 1999 Kosovo) in die Seelen
        versteckt. Er hat sich in den underground des einzelnen Selbst zurueckgezogen und
        unsichtbar gemacht, ...<< Das ist uns in Österreich doch nicht gar so fremd. Ich bin
        in genau diesem Klima der Doppelbödigkeit aufgewachsen. Der in den Seelen versteckte
        Krieg, stets präsent in einer erheblichen Gewalttätigkeit und in einer so tief
        verankerten Zwiespältigkeit, in Lebenslügen als Lebensprinzip, einer umfassenden
        Korruption, der sich meine Generation nur schwer zu entziehen vermochte. 
 Kunsthistorikerin Mirjana Peitler
        Selakov ("kunst ost") undAutor Nenad Popovic (Verlag "Durieux")
 Ich hab im letzten
        Eintrag den Publizisten Norbert Mappes-Niediek erwähnt, der die Auffassung vertritt,
        dieses EU-Europa sei viel zu arrogant, um zu bemerken, wie "jugoslawisch" seine
        Probleme sind. Eine Ansicht, der ich viel abgewinnen kann. Um kommenden Krisen vorzubeugen, liegt eine Menge Arbeit
        an. Sehr unterschiedliche Arbeit, die eben AUCH vom Kunstfeld her kommt, geleistet wird.
        Die Politik, speziell österreichische Innenpolitik, wäre als einzelne Deutungselite mit
        solchen Aufgaben völlig überfordert. 
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