11. Februar 2014 II

Da ist es nun klar, dass Oesterreich bestimmt ist, eine führende Rolle in der politischen und wirthschaftlichen Entwicklung Europas zu nehmen. Es steht an der Grenze der europäischen Cultur, an der Grenze der constitutionellen Staaten, es lehnt sich an Gebiete, welche einer einseitigen industriellen Entwicklung noch nicht verfallen sind, welche für Cultur empfänglich und an verfassungsmässige Zustände noch nicht gewöhnt sind, es ist Oesterreich berufen, den Nationalitätenhader ad absurdum zu führen und demnach auch mehr als ein anderer civilisirter Staat in Europa berufen, sich über seine eigenen Grenzen auszudehnen (was aus nationalen Antrieben hervorgegangene Staaten nur im beschränkten Masse vermögen, daher ihnen welthistorische Missionen verschlossen sind), und das an Schätzen reiche, den nordamerikanischen Territorien verwandte Gebiet nicht nur der europäischen Türkei, sondern aller Staaten der Balkanhalbinsel in seinen Machtbereich zu ziehen.

Dr. Josef Neupauer:
"Viribus unitis: Wie könnte die europäische Cultur nach Bosnien verpflanzt werden?"

Anmerkung:
Mit "
europäische Türkei" war jener Teil des Balkans gemeint, der zu jener Zeit unter osmanischer Herrschaft stand. Bosnien und Herzegowina waren ursprünglich zwei osmanische Provinzen.

Neupauer dachte freilich auch in die Zukunft und schlug vor, ethnische Säuberungen zu triggern. Ein geschäft, dem sich noch in den 1990ern General Ratko Mladic mit großem Eifer, aber aussichtslos widmete.

Der Widerstand der Bevölkerung wird übrigens nicht sehr in's Gewicht fallen. Wenn der Verfasser recht berichtet ist, würde die Gesellschaft zunächst auf die Besitzungen mahomedanischer Begs zu reflectiren haben, die über beträchtlichen Grundbesitz verfügen. Diese Begs dürften zum Theil auswanderungslustig sein und jedenfalls hat man nichts von den Christen zu besorgen, wenn man gegen die der Zahl nach geringen türkischen Einwohner mit der Expropriation vorgeht. Auch wäre es erwünscht, wenn die Mahomedaner sich nach und nach aus Bosnien zurückzögen, da die Verwaltung einer christlichen Regierung sich auf die Dauer mit dem mahomedanischen Elemente nicht verträgt. Ihr Abzug würde die Administration vereinfachen und eine Frage lösen, welche in nicht zu ferner Zukunft sehr unbequem werden könnte.

Die Muslime schlug Neupauer also vor zu vertreiben, den orthodoxen Klerus meinte er mit Bestechung und Druck instumentalisieren zu können:

Der griechische Priester ist glücklicher Weise arm und daher bestechlich. Fühlt er, dass er mit der Gesellschaft rechnen muss, bietet sie ihm, was sie als Verwalterin der Gesammtproduction leicht thun kann, mehr als das Volk ihm bieten könnte, so wird er predigen, was man ihm vorschreibt. Er wird sachte den Aberglauben ausrotten helfen und den gläubigen Sinn des Volkes der österreichischen Regierung dienstbar machen.

Und noch einmal in die spezielle kerbe gehauen, so freundlich kann der Ruf nach ethnischer Säuberung klingen:

Die systematische Verdrängung der Mahomedaner durch neugeschaffene wirthschaftliche Verhältnisse ist ohne Verletzung der bestehenden Conventionen möglich, sie ist vom humanitären Gesichtspunkt statthaft, vom politischen vortheilhaft.

So geduldig waren freilich die Nazi später mit ihren unerwünschen Mitmenschen nicht. Aber auch das habsburgische Österreich ging in der Praxis keineswegs so moderat vor, wie es Neupauer skizzierte:

Der natürliche Gang der wirthschaftlichen Dinge würde aber bald dahin führen, dass der verschwenderische und faule Mahomedaner, sobald er aufhört zu herrschen und als Handelsmann überflüssig wird, verarmt und entweder auswandert, oder sich glücklich schätzt, wenn die Gesellschaft seine Kinder zur Erziehung übernimmt. So stürbe der Mahomedanismus aus.

Viribus unitis: Wie könnte die europäische Cultur nach Bosnien
als PDF-Dokument: [link]

log1956c.jpg (4706 Byte)

[zurück]

[kontakt] [reset] [krusche]
7•14