4. Dezember 2017

Aufmerksamkeit gehört zu den bedeutendsten Währungen in menschlicher Gemeinschaft. Es ist oft verblüffend, welche Konvertierungsgeschäfte davon ausgelöst werden. Als ich kürzlich außer der Stadt zu tun hatte und im Leihwagen das Radio anstellte, erzählte ein Medienfachmann der Kleinen Zeitung, man habe im Bereich junger Menschen einen beunruhigenden Leserschwund erlitten. Das hat sich teilweise durch Gamifizierung erfolgreich abfangen lassen.

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Das heißt, man habe eine App entwickelt, die wie ein Computerspiel (Computergame) funktioniere, wobei das Publikum verschiedene Tokens aufspüren und einsammeln müsse. Wenn das die Lesebereitschaft erhöht, muß ich es wohl als nützliche didaktische Maßnahme verstehen.

Sollte ich als Kulturarbeiter, gar als Künstler, nützliche didaktische Maßnahmen in Erwägung ziehen? Meine Antwort kommt ohne großes Zaudern: nein! Ich kenne all die gut gemeinten Ratschläge und ärgerlich gehaltenen Vorwürfe, denen man sich mit dieser Haltung aussetzt. Sie begleiten meine Arbeit seit Jahrzehnten, wenn auch nicht von Anfang an. (Mein einschlägiger Weg begann 1977, ich schließe also gerade das vierzigste Jahr ab.)

Darf ich manche Themen über Jahre verfolgen, ohne die Vorhaltung sinnloser Wiederholungen, ermüdender Schleifen zu kassieren? Jüngst fragte mich eine Freundin bezüglich eines Malers, ob es denn akzeptabel sei, wenn dieser nun Jahrzehnte das Gleiche mache. Dagegen wäre zu fragen: Welche guten Gründe sprechen denn dafür, sich ständig neue Themen zu suchen, womöglich ein nächste Handschrift zu erarbeiten? (Mir fallen nämlich keine ein.)

Eine meiner Notizen der letzten Tage, wie ich sie in Schulheften festhalte, die ich jeweils mit einer grober Datumsangabe versehe und staple, bis ich sie wegwerfen kann, lautet: Soziales Handeln ist eine der wichtigsten Sinnressourcen, die wir kennen.

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Manche Leute würden bei diversen Coaches oder bei einem buddhistischen Mönch einiges Geld ablegen, um solche Sätze zu hören. Hier gibt es das ohne Cash . Aber, naja, die Währung Aufmerksamkeit hätte ich nun schon kassiert.

Ich denke, es gehört zum Wesen von Währungen, daß man sie konvertieren kann. Das halte ich auch für einen wichtigen Aspekt im Zugang zur Kunst. Die Kräftespiele des Konvertierens. Das 2017er Kunstsymposion liegt nun hinter mir, das nächste ist in Arbeit, bekommt erste Konturen. Die prozeßhafte Arbeit führt zu Markierungen am Wegesrand. Nun also:

+) Interferenzen

Dazu die zwei anregende Sätze, wie erwähnt:
+) Aufmerksamkeit gehört zu den bedeutendsten Währungen in menschlicher Gemeinschaft.
+) Soziales Handeln ist eine der wichtigsten Sinnressourcen, die wir kennen.

Ferner eine gute Frage aus meinem Logbuch-Eintrag von vorgestern:
+) Rechtfertigt die Schaffung eines Nationalstaats einen Krieg, so wie 120 Jahre vorher
    die Einigung Deutschlands oder Italiens?
(© Norbert Mappes-Niediek)

Wir sollten hundert Jahre nach dem Ende des Großen Krieges ein paar Klarheiten zum Thema Nationalstaat schon gefunden haben, es sieht aber im Augenblick nicht ganz so aus. Nun habe ich kürzlich den Maler Markus Lüpertz gehört, der jegliche Kunst ablehnt, die pädagogisch wird. Er möchte sich nicht mit Kunstwerken befassen, mittels derer Wale gerettet oder die Welt sonst wie verbessert wurde.

Nach seiner Auffassung beschäftigt sich Kunst hauptsächlich mit sich selbst, sie sei "immer Renaissance", stelle sich den Jahrhunderten, ringe dabei mit sich und den Fragen nach Qualität, nach Vollendung. Das gefällt mir sehr und das erinnert mich in diesen Zusammenhängen stark an Selman Trtovac, der mir stets ein Mahner ist, auf interessante Fragen und Aufgaben mit den Mitteln der Kunst zu reagieren.

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Sie sehen Trtovac hier links neben Heimo Müller. Mit beiden gehe ich jetzt für 2018 auf den Sarajevo-Kontext zu. Dafür werden wir überhaupt erst zu klären haben, was dabei Sache der Kunst sei.  was in den Bereich der Wissens- und Kulturarbeit fallen muß. Auf Lüpertz werde ich auch noch zurückkommen müssen.

-- [Der Sarajevo-Kontext] [Das 2018er Kunstsymposion] --

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