6. Dezember 2017

Wenn ich über Kunst nachdenke, finde ich Gefallen an Hierarchie, denn ich sehe hier in der Provinz zu viele schaurige Exponate, die unter eine Flagge der Kunst gestellt werden, da möchte man am eigenen Verstand zweifeln, wenn das alles dem gleichen Genre angehören soll.

Ich durfte grade in den letzten Jahren allerhand Schelte kassieren, wo ich im regionalen Kunstkontext Kritik geäußert habe, so als wäre es völlig egal, was wir mit Begriffen belegen, was daher die Begriffe bedeuten. Um es wiederholt zu betonen, Kritik heißt unter anderem: vergleichen und das Verglichene reflektieren, um dann über die Inhalte, Aussagen und Relationen zu sprechen. Kunst und Hierarchie, da denke ich gerne an Lüpertz.

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Markus Lüpertz

Ich könnte selbst nicht so hoch zielen, bin aber von Menschen angetan, die das merklich entspannt hinbekommen: "Wir würden heute keinen Sonnenuntergang betrachten, wenn er nicht tausend Mal gemalt worden wäre. Dieses Begreifen bis hin zum Abstrakten erleben wir über den Künstler. Er erzählt alles dem Menschen. Deswegen ist der Künstler in einer ganz bestimmten Rolle. Er ist Gesellschaft, aber er ist für die Gesellschaft verantwortlich, dafür, was sie sieht, was sie empfindet, was sie tut. Eine große Aufgabe." (Markus Lüpertz im Gespräch mit Christoph Strack, Quelle)

Lüpertz hat sich internationalen Rang erarbeitet. Spricht er über Kunst, macht er kein Geheimnis aus seinem Faible für Hierarchien. Dabei stellt er die Malerei über alles und ich vermute, daß er die Bildhauerei an zweiter Stelle sieht. Er ist Maler, hat ein graphisches Werk und ist als Bildhauer anerkannt.

"Das höchste, was es für mich gibt, ist das Bildermalen. Es ist sehr viel einfacher, mit irgendwelchen Hilfsmitteln etwas zu erzeugen, als mit dieser furchtbaren Einsamkeit von Pinsel und weißer Leinwand und der Konkurrenz von Bildern aus 2000 Jahren Bilder zu malen, die heute überhaupt noch einer wahrnimmt – das sind gigantische Leistungen." [Quelle: "Die Welt dreht sich nur um mich"]

Lüpertz hält die Leichtigkeit des Erstellens für ein wesentliches Kriterium im Ordnen seiner Wertschätzung. Was leicht fällt, hält er nicht für bedeutend. Was ich Bonmot-Kunst nenne, diese so originellen Werklein, von den großen, glänzenden Luftballon-Pudeln des Jeff Koons bis zu den Gurkerln von Erwin Wurm oder ähnlichen körperlichen Aphorismen der originellen Sorte, nennt er glatt, gefällig, bürgerlich.

Für dilettierende Kreative hat er weit weniger Gefälliges auf Lager. Eine gerne und oft zitierte Gedichtpassage aus Texten von Lüpertz lautet: "verachtet die kleinkinder unseres berufes, die amateure, die mitmacher, die frömmler". Fazit: Er hat für schwache Arbeiten, Ramsch und Betuliches gar nichts übrig. Warum wird er aber derart hofiert, denn diese strengen Urteile sind doch nirgends willkommen? Ich tippe auf den Kitzel des Entertainments.

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Markus Lüpertz: "Der gestürzte Krieger"
(Foto: Georg Slickers, Creative Commons)

Mir fällt dazu eine Analogie ein. Sie kennen vielleicht das Redewendung "Die Menschen lieben den Verrat, aber nicht den Verräter." Man könnte sie abwandeln: Die Menschen lieben Kritik an den Anderen, aber nicht den Kritiker. Solche Art des Voyeurismus erfreut sich gewiß auch an exaltierten und selbstbewußten Leuten, die dann etwa Malerfürst genannt werden. Das ist eine Art Boulevard-Tendenz rund um derlei Themen und Persönlichkeiten. (In Österreich ist es für so eine Zuschreibung freilich schon genug, ein Ernst Fuchs zu sein.)

Was bedeutende Kunst sei, müsse also mit Mühe verbunden und an die Ewigkeit adressiert sein. Darunter bleibt alles Kreative für Lüpertz etwas Nettes, das er belächelt. Hört man ihm zu, wie etwa in einem ZDF-Nachtstudio des Jahres 2008, wird man seine Ironie kaum verkennen können, wenn er über Arbeiten spricht, die auf der nach unten ziemlich offenen Skala irgendwo im Keller rangieren. Lüpertz hält dagegen relevante Künstler für Handlanger Gottes und sagt: "Wir sind den Engeln am nächsten."

Der Job beinhaltet eine Mission: „Als Künstler bemühe ich mich, der Welt die Welt zu erklären“, sagte Lüpertz 2014 zu BILD. „Begabung nützt nichts, da muss ein bisschen mehr kommen, nennen Sie es göttlichen Funken, ich nenne es lieber Genie – das ist provokanter.“ [Quelle]

Dagegen quittiert er die Beschaulichkeit des "kreativen Gestaltens" und allerhand unbedarftes Hobby-Walten mit Sarkasmus: "Dieser ganze Kreativitäts-Wust, daß jedes Wollen, ich finde, das ist ja schönste Demokratie, daß jedes Wollen irgendeiner Art sich ausrülpsen und währen kann. Ich finde das ja alles aufregend." [Quelle: ZDF-Nachtstudio]

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Patricia Clarkson, Kristin Scott Thomas und Bruno Ganz in "The Party" (Regie: Sally Potter)

Keine Sorge! Ich schreibe das nicht, um mich selbst in eine höhere Etage zu reklamieren als in jene, auf der ich gut bestehen kann. Ich muß bloß wiederholen, was hier schon öfter zu notieren war: Wenn wir keine Begriffe haben, wissen wir nicht, worüber wir reden. Damit kann man durchaus lebenstüchtig sein, allerdings nicht als exponierte Person im Kulturbetrieb, denn da sollte man wissen wollen, was mit verschiedenen Arten der Kommunikationsakte gemeint ist.

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