15. Jänner 2018

Krankenschwestern und Ärzte haben mit Polizisten etwas gemeinsam. Sie kennen erschöpfende Dienstzeiten mit Nachtdiensten, bei denen das Klientel, dem man sich zu widmen hat, nicht immer freundlich ist.

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Als mein Sohn in der Industrie permanenten Nachdienst geschoben hat, ließen mich seine Schilderungen froh sein, daß ich mein Geld am Schreibtisch verdienen darf. Seinen Job in einer Verzinkerei fand ich am Beunruhigendsten. Da hatte er ständig eine Dose Sprühpflaster in der Hosentasche. Seine Unterarme zeigten, weshalb das nötig war.

Ich erinnere mich, daß ich als junger Kerl über Fernfahrer dachte, sie hätten einen romantischen Job. Inzwischen weiß ich natürlich genug von zu langen Fahrzeiten, technisch mangelhaften LKW-Zügen und vom Problem, wie sehr verfügbare Parkplätze oft überlastet sind, so daß einer seine vorgeschriebenen Ruhezeiten an Stellen absolvieren muß, die ihm Strafzettel einbringen. Von der permanenten Unfallgefahr auf den Straßen ganz zu schweigen.

So ließen sich die Schilderungen fortführen. Manche Berufe bieten ihrem Personal große Annehmlichkeiten, viele Berufe handeln von Belastungen, die niemand gerne hinnimmt. Manche Jobs sind ausgesprochen unangenehm.

Es ist gleichermaßen Binse wie plausibles Detail, daß einen die Freude an einem Job belastbarer macht, denn wir sind, wie ich gerne sagen, sinnsüchtige Wesen. Wenn ich es als sinnvoll erlebe und wenn ich Freude daran hab, bekommen alle Arten Belastungen einen völlig anderen Geschmack. Das Gegenteil davon ist eine bewährte Foltermethode, um jemanden zu brechen.

Ich glaub, daß ich bei Primo Levi in "Ist das ein Mensch?" gelesen habe, wie Nazi in Auschwitz geschwächte Häftlinge völlig sinnlos Steine zu Haufen schlichten ließen, die dann wieder abgetragen und an anderer Stelle erneut aufgeschichtet werden mußten.

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Diese paar Erwähnungen mögen verdeutlichen, daß Selbstbestimmung und als sinnvoll erlebte Arbeit die besten Schmerzmittel gegen belastende Momente im Beruf sind. Adäquate Bezahlung hat übrigens auch sehr lindernde Wirkung. Ich kenne vorerst keine Alternative zur Erörterung jener Währungen, über die wir einen Leistungsaustausch abwickeln, wobei eben Geld nur eine von mehreren Währungen ist. Sinn, Aufmerksamkeit, Sozialprestige, Sichtbarkeit, da ist allerhand im Umlauf, was wir gerne ineinander konvertieren.

Da uns die Vierte Industrielle Revolution ein Ende der Massenbeschäftigung in Aussicht stellt, tauchen zunehmend weitere Gründe auf, die Koppelung von Arbeit und Broterwerb zu überdenken. So weit ich mich erinnere, war der letzte große Schub, um etwa ein Bedingunsloses Gundeinkommen zu debattieren, in der Mischung aus mangelhafter Verteilungsgerechtigkeit und hohen sozialen Kosten Arbeitsloser begründet. Nun kommt eben dieser Grund dazu, daß sich unsere Arbeitswelt so radikal ändert und die bezahlten Jobs weiter verknappt werden.

Ich hab im Projekt "Mensch & Maschine" gerade ein nächstes Beispiel beschrieben, wie heute Maschinen im Dienstleistungssektor vorrücken, um uns Arbeit abzunehmen, die bisher von Menschen geleistet wurde: "Roboter Robert (Ein Zimmer als Knecht)". Dieser maschinelle Lieferant ist noch längst nicht das beeindruckendste Exempel. In unseren regionalen Magazinen wird an auffallend vielen Stellen ein so deprimierend schwacher journalistischer Stil hingenommen, das können maschinelle Redaktionssysteme heute schon besser. Buchhaltung, Rechtsberatung, Bankwesen und manche Diagnosebereiche in der Medizin werden schon bald mit radikal weniger Angestellten auskommen, während sich in vielen Branchen ein Praktikanten-Wesen ausgebreitet hat, bei dem die Leute für ihre Arbeit kaum noch was bezahlt bekommen.

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Das bedeutet einmal mehr, uns geht zwar keinesfalls die Arbeit aus, denn es gibt für Menschen immer genug zu tun, aber die adäquat bezahlten Jobs sind jetzt schon knapper, als wir je gedacht hätten. Wo wären nun in all dem die Künstlerinnen und Künstler zu sehen? Österreich hat keinen Kunstmarkt, der es erlaubt, aus rein künstlerischer Tätigkeit ein angemessenes Jahreseinkommen zu lukrieren. Die wenigen Marktgrößen, denen das gelingt, sind für die Branche nicht repräsentativ.

Wovon ist also die Rede? Ab dem Jahr 2009 konnten wir im Kulturbereich unsere Überlegungen mit Blick auf eine Studie "Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich " anstellen. Die Studie als PDF-Dokument: [link]

Nun ist eine Arbeit publiziert worden, die da sinngemäß anknüpft: "Unselbstständig, Selbstständig, Erwerbslos (Studie zu Problemen von Kunstschaffenden in der sozialen Absicherung aus sozialwissenschaftlicher Sicht)" aus den Jahren 2015/2016: [link] Was Leute wie ich subjektiv empfinden, erleben, zeigt sich auch als Forschungsergebnis. An der Situation in diesen Metiers hat sich nichts geändert, nichts verbessert. Ein prägnantes Zitat:

"Konkret verweist die Prekarisierungsthese auf unterschiedliche Aspekte wie diskontinuierliches und vielfach geringes Einkommen, mangelhafte erwerbsbiografische Kontinuität und Planbarkeit oder komplizierte und häufig lückenhafte soziale Absicherung: Trotz einer mit durchschnittlich 52,1 Stunden im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (2006: 34,8 Stunden) überproportional hohen (Wochen-)Arbeitszeit (vgl. Schelepa et al. 2008: 63) lag das Äquivalenzeinkommen von KünstlerInnen, das heißt das nach Zahl und Alter der Haushaltsmitglieder gewichtete Pro-Kopf-Einkommen, im Untersuchungsjahr der Studie mit rd. 1.000 EUR/Monat beträchtlich unter jenem der Gesamtbevölkerung (2006: 1.488 EUR/Monat)."

Das bedeutet in der Praxis ganz unsentimental, Kunstschaffende müssen in der Regel laufend mehr arbeiten, um dabei weniger zu erwirtschaften. Unter anderem, weil sich die gesamte Budgetlage verschlechtert hat und weil in einem eher ungeschminkten Verdrängungswettkampf aus anderen Ressorts auf die Kulturbudgets zugegriffen wird.

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Dieses Kapern von Kulturbudgets zeigt sich in der Provinz vor allem auf zwei Arten. Einerseits werden Kulturmittel für die PR-Arbeit diverser City- und Tourismus-Managements funktionalisiert. Andrerseits fördert genau das den Einsatz von Hobbykräften, was uns beispielsweise Ausstellungen mit einer Flut geradezu beliebig austauschbarer Acrylmalereien beschert, von Kreativen geliefert, die der Politik und der Verwaltung keine Fragen zur Kunst oder zur Kulturpolitik aufbürden.

All das zu beklagen hielte ich für vollkommen müßig, denn allein die Tatsache, daß wir nun zwischen 2008 und 2018 keine essenziell vorteilhafte Entwicklung in diesen Fragen feststellen können, macht klar, daß darauf heute auf einer anderen Ebene reagiert werden muß.

Das meint auch, auf das Reproduzieren alter Bilder eines Künstlerdaseins zu verzichten, denn darin geht es eigentlich seit den vierzig Jahren, die ich nun mit im Spiel bin, nicht voran. Dieses Arbeitsjahr sollte daher bis zu den Hauptveranstaltungen des 2018er Kunstsymposions eine brauchbare Markierung ergeben, was aus all dem zu schließen wäre...

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