15. Dezember 2018

Der erfahrene Maler sagte, es fehle auffallend an kunstsinnigem Publikum, das als versierte Kundschaft auftreten könne. Das kam völlig unaufgeregt daher. Es korrespondiert mit einigen Momenten der kürzlich stattgefundenen Judenburg-Session. Dort war über das bescheidene Problem zu sprechen, daß uns zunehmend ein Bildungsbürgertum umgibt, welches seine eigenen Standesregeln aufgegeben hat, zum Beispiel gebildet zu sein.

log2570a.jpg (18411 Byte)

Willy Rast

Das hat einerseits Auswirkungen auf den Kunstmarkt. Das hat andererseits Folgen für das geistige Leben eines Gemeinwesens. Beides greift massiv in die Existenz Kunstschaffender ein. Aktuelle Bestandsaufnahmen... Mit Willy Rast saß auch Jörg Klauber am Tisch, der etliche Erfahrungen und Einschätzungen mit uns teilt.

Wir wurden anstandslos einig, daß dieser Status quo zu konstatieren sei, mehr nicht, denn jede davon ausgelöste Erregung wäre vergeudete Energie. Das bringt einen sehr beruhigenden Klang in die Befassung mit solchen Themen. Einige von uns sind mit den Social Media vertraut, kennen also nur zu gut diese völlig ins Leere verlaufenden Erregungskurven einer zunehmenden Betroffenheitsgymnastik, die sich offenbar in sich selbst erschöpft. Schwamm drüber!

Wir waren in der Debatte kurz bei der Frage nach "revolutionären Momenten". Dieses Thema ist in der Folge so schnell vom Tisch gewesen, daß ich mich an keine Details erinnern kann. Kunstwerke als revolutionäre Akte? Immerhin, ich habe ein Faible für die Russische Avantgarde, in der es Aspekte gab, die man rückblickend noch als eine "gesellschaftsverändernde Intention" deuten mag. Das finde ich als historisches Ereignis ansprechend. Kunst und Gesellschaftsveränderung? Das halte ich für ein Geschwurbel. Wir wissen eigentlich nur recht wenig darüber, wie und wodurch genau sich ganze Gesellschaften verändern.

Aktuell kann ich mir im Westen keine künstlerische Praxis vorstellen, die als "revolutionärer Akt" gedeutet werden dürfte. Heute setzen zum Beispiel allerhand Dschihadis solche Schritte, wobei völlig ungeschminkt zutage tritt, wie anmaßend und menschenverachtend ihr "revolutionäres" Morden ist. Das sind nun gängige "gesellschaftsverändernde" Zugriffe auf ein Gemeinwesen. Sie erscheinen mir, wie der Dienst von Ministranten, einer skurrilen Weihe-Praxis gewidmet, der sich Europas Westen leidenschaftlich hingibt. So bevorzugt der dschihadistische Angreifer wie sein politischer Gegenspieler, der Populist, die gleiche Marotte: radikale Komplexitätsreduktion. Und breite Kreise der Bevölkerungen schwenken ein, feiern simple Antworten auf schwierige Fragen. Neu? Aber nein!

log2570b.jpg (26496 Byte)

Jörg Klauber (links) und Karl Bauer

Komplexitätsreduktion in den kognitiven Akten, in der Reflexion, in den daraus abgeleiteten Schlüssen, in den folgenden Kommunikatonsschritten nach außen, all das hieße: ein Feuer der Kunst zu ersticken. In der gestrigen Session war sehr schnell klar, daß wir uns mit Befunden des gesellschaftlichen Status quo nicht lange aufhalten müssen. Was derzeit alles nach rechts rücken will, ist derart laut und unüberhörbar, ist deutlich und ungeschminkt, da braucht es keine prophetischen Gaben um die Tendenzen der nahen Zukunft abzusehen. Das geht neuerdings sogar mit geschlossenen Augen.

Wie wir da nun saßen, nach Jahrzehnten im Kunstbetrieb ein wenig abgekämpft, zerzaust, und gleichermaßen ein wenig in Distanzgefühlen zum derzeitigen Kunstmarkt befangen, blieb der Fokus klar. Diese Konzentration darauf, was denn nun Kategorien der Kunst seien und was nicht. Solche Klarheiten werden spätestens dann wichtig, wenn man den eigenen Kräftehaushalt überprüft, um seinen Einsatz an verfügbarer Energie zu klären.

Dabei ist unübersehbar: Die primäre Aufgabe von Kunstschaffenden ist die Kunstpraxis. Daß man zugleich noch Staatsbürger und Teil eines konkreten Gemeinwesens ist, Beziehungen lebt oder auch nicht, ändert daran nichts, verlangt einem bloß auch andere Dinge ab. Aber die Kunstpraxis ist diesem Gemeinwesen nicht verpflichtet, sondern bloß der Kunst. Jede andere Befrachtung mit diesen und jenen Aufgaben stürzt einen in die Gefahr, Zerrbilder zu produzieren. (Ich werde mit Willy Rast eine weitere Session brauchen, um ihn eingehend zur Malerei zu befragen.)

log2570c.jpg (19181 Byte)

Ich denke, diese Konzentration ist einer der Aspekte, in denen Kunstschaffende so vielen Menschen suspekt erscheinen, obwohl auch etliche andere Berufe nach so einer klaren Fokussierung auf die zentralen Aufgaben verlangen. Daß sie nämlich eine unerbittliche Klärung der zentralen Aufgaben betreiben. Man wird übrigens einen guten Handwerker nicht fragen müssen, was er etwa über Pflicht denkt, weil es nicht um Pflicht geht, weil er ja erst deshalb zu einem guten Handwerker wird, falls er eine Sache um ihrer selbst Willen gut machen will.

So einfach ist das im Kern, hat bloß andere Zusammenhänge und Abläufe, wenn man etwa a) einen Motor repariert oder b) ein Bild malt. Die Auffassung von der Pflicht und ihrer Erfüllung ist ein skurriles Konzept, das wir irgendwelchen Herrschaftsformen verdanken. Dagegen ermöglicht diese andere Option, daß man eine Sache um ihrer selbst Willen gut machen möchte, eine sehr autonome Haltung.

Wie schon angedeutet, der Broterwerb ist dabei eine andere Frage und Kategorie. Und was das geistige Klima angeht, in dem wir leben, bleibt vorerst auf jeden Fall, die eine oder andere Nische aufzumachen und zu besetzen. Unter den aktuellen Veränderungsschüben durch Technologie und Wirtschaft haben wir neu zu klären, was wir unter Conditio humana verstehen.

-- [Dokumentation] --

[kontakt] [reset] [krusche]