2. März 2025

Flanieren


Gestern war klar, ich muß den restlichen Tag nach meinen Stunden im Büro verplempern, sonst haut es mir die Sicherungen. Wir leben in interessanten Zeiten und ich bestaune ab und zu, wie sehr in meinem Milieu reaktiv statt proaktiv gearbeitet wird.

Es gab in der Steiermark Wahlen, die einen klaren Rechtsruck der Gesellschaft ausdrücken. Das hat unter anderem spürbare kulturpolitische Folgen. Wer dachte denn, daß es anders kommen würde? Eigentlich war mit den Corona-Lockdowns klar, daß so ein Rechtsruck ziemlich unausweichlich ist.


Weshalb war das vorhersehbar? Weil unsere Gesellschaft bisher noch immer nach rechts gerückt ist, wenn der Druck raufging und die Budgets runterfuhren. Spätestens ab 2022 hätten wir demnach gute Gründe gehabt, einen breiten kulturpolitischen Diskurs zu entfalten, der dem politischen Personal Diskussionsgrundlagen bietet, auf daß wir von uns entwickelte Strategien hätten verhandeln können.

Was aber hatte sich im steirischen Gesamtbild gezeigt? Die IG Kultur Steiermark grub auf dem Konzeptfriedhof eine zehn Jahre alte Kampagne aus: „Fair Pay“. Das ganze Milieu überließ es dem damaligen Landeskulturreferent Christopher Drexler (ÖVP) und seinen Dienstleistern, jene Konferenzserie umzusetzen, die im neuen Jahrtausend immer noch an diesen drei Begriffen festgemacht wurde: Volkskultur, Hochkultur und freie Szene. Ein katastrophales Detail. (Siehe dazu: "Das Weizer Panel"!)

Jetzt, da FPÖ und ÖVP etliche Gremien des Kulturbetriebs umfärben, wäre zu sagen: Was habt Ihr erwartet? Wer auf diesen Umbau verzichten wollte, würde vom politischen Handwerk wenig verstehen. War doch klar, daß sowas kommt. Auch da hätten wir durch öffentliche Diskurse und Netzwerkarbeit während der letzten Jahre zumindest vorbeugen können. Haben wir aber – als Metier – nicht getan.

Ich deute das als eine Mischung aus Ignoranz und Bequemlichkeit. Anders ist mir das nicht erklärbar. Aber wie eingangs erwähnt, ich wollte einen wesentlichen Teil des gestrigen Tages verbummeln. Wohltuend, um aus der Dichte dieser Problemlagen ein wenig auszusteigen.


Dabei stieß ich auf ein besonderes Vergnügen. Bei einer lokalen Baustelle waren die Türen unversperrt und ich konnte mich in der Hütte umsehen. Es macht mir großes Vergnügen in solche Momente des Umbruchs reinzugehen, wenn das Schweigen in so einer Struktur hockt und alles, was ich erblicke, wird genau so in wenigen Tagen nicht mehr zu sehen sein. Da flaniere ich quasi durch ein üppiges Setting von Ready Mades, die sich demnächst auflösen werden, die verschwinden.

Auf meinem Rundgang gingen mir noch zwei Gedanken von C. G. Jung durch den Kopf, die mir Autorin Karin Klug gestern in den Tag eingestreut hatte. Den einen finde ich geradezu beunruhigend brisant: „Wenn der Weg vor dir klar ist, dann bist du wahrscheinlich auf dem eines Anderen.“


Das stete Ringen um Klarheit, wohin nächste Schritte gesetzt werden sollen, wird ja in meinem Milieu von manchen Leuten als eher anstrengend eingestuft, weshalb dann Posen und Phrasen genügen müssen. Okay, kann man machen. (Ist Teil der Essenz jedes Rechtsrucks.)

Dazu paßt der andere Gedanke von Jung vorzüglich: „Die Welt wird dich fragen, wer du bist, und wenn du es nicht weißt, wird es dir die Welt sagen.“ (Darauf müssen dann manche antworten: „Jawoll, mein Führer!“)

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