26. April 2025
Die Nische und der Boulevard
II
[Vorlauf]
In einigen Bereichen des steirischen Kulturgeschehens schien
spätestens Mitte der 1990er Jahre klar zu sein, daß
Broadcasting der Vergangenheit angehört. „Ein Sender, viele
Empfänger“; nebenbei bemerkt: das Konzept des
nationalsozialistischen „Volksempfängers“, ist Old School.
Was wir damals „Neue Medien“ nannten, versprach: Viele
Sender, viele Empfänger. Das hieß auch: Schluß mit
Postwurfsendungen! Ein reifes Publikum holt sich gewünschte
Informationen selbst, wahlweise über Info-Verteiler, die man
nach eigener Vorstellung abonniert hat.

Eher Geltungs- oder schon
Sendungsbewußtsein?
Es galt als Verstoß gegen die Netiquette, jemanden
ungefragt in einen Info-Verteiler einzutragen. Es
verlangte ferner nach der Möglichkeit, sich selbst
jederzeit aus solchen Verzeichnissen löschen zu
können. Der ganze Rest unerwünschter
Sendungen fällt bis heute unter „Spam“. Ramsch.
Egal, wie wichtig der Absender ich nimmt. Es sollte
mindestens innerhalb des Kulturvölkchens klar sein,
was ein zeitgemäßes und mediengestütztes
Kommunikationsverhalten nahelegt. Offenbar
führt Geltungs- und/oder Sendungsbewußtsein dazu,
simple Regeln der Netzkultur zu ignorieren. Das gibt
dümmliche Beiträge zu einem täglichen Data Overflow,
der es allen Betroffenen vor allem schwerer macht,
interessanten Content aus den Fluten herauszufiltern
und die relevanten Informations-Angebote zu
rezipieren. Wer sich in diesem Sinn der Community
aufdrängt, belastet und stört ein Kulturgeschehen,
ein geistiges Leben.

Ist doch nett, daß ein bildender
Künstler meint, er müsse mich über den
eigentlichen Ursprung von "Roiting"
("Writing") informieren.
Ich hab grade erst versucht, so ein
Fehlverhalten, das ein Grazer Künstler
mir schon eine Weile zumutet,
abzustellen. Dezente Hinweise hatte er
bisher übergangen. Als nun unerwünschte
Post neben Instagram auch erstmal über
einen weiteren Kanal kam, schrieb ich
ihm: „jungeeeee! jetzt auch via
whatsapp? bitte hör auf, mir diese
belanglosen entertainment-schnippsel zu
schicken. wir haben 2025! wer das haben
will, schaut es sich bei dir auf insta
oder sonst wo an. ich will mit dem
schmarrn keine online-zeit verplempern.“
Seine erste Antwort lautete:
„…und ab und zu schick ich dir in meinen
augen ganz lustige sachen, die ich nicht
auf meinem profil poste. verzeihung,
dass ich deinen intellektuellen anspruch
dramatisch unterschätzt habe! meine
güte. und man kann sich auch etwas
höflicher äußern, wenn man bestimmte
nachrichten nicht mehr bekommen möchte.
ist ja nicht so, dass ich dich schädigen
wollte, also etwas contenance, bitte.“

Zynismus statt einem
schlichten "Sorry!"
Die Sache wurde dann noch
unfreundlicher. Kein Spur
von Einsicht, daß er mir
meine Medienkanäle mit Zeugs
zumüllt. Kleinkram, welchen
er also für „ganz lustige
sachen“ halten mag, die ich
aber als Spam erlebe, der
meine Zeit und
Aufmerksamkeit verbrennt.
Einerseits langweilt mich
sein Humor, andrerseits
staune ich, daß ein
erfahrener Künstler von
komplexen
Kommunikationssituationen so
wenig Ahnung haben will.
Aber vor allem bleibt, daß
ich um den Schmarren nicht
gebeten hab. Und wie
eingangs erwähnt, so ein
kommunikatives „fire and
forget“ ist erstens
Broadcasting, also voriges
Jahrhundert, zweitens
Volksempfänger-Groove.
Erstaunlich, daß ich sowas
2025 überhaupt noch
argumentieren muß. +)
Netzkultur
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