30. Mai 2025

Friedensfrömmler


Vom 20. Jahrhundert her fürchten wir zu Recht, jene Annehmlichkeiten zu verlieren, mit denen uns die Republik und ihre Demokratie aufwachsen ließ. Menschen, welche die Tyrannei und den Krieg noch aus eigener Erfahrungen gekannt haben, sind inzwischen kaum noch unter uns. Aber wir waren lang genug mit ihnen, um Eindrücke zu haben, wie die Menschenverachtung damals gewütet hat.

Haben Sie sich aktuell auch schon ein „Die Waffen nieder! oder ein „Nie wieder“ abgerungen, um es via Social Media auszustreuen? Das ist Denken aus dem vorigen Jahrhundert, gegen eine Vorstellung von Krieg aus dem vorigen Jahrhundert.

Zwar war damals die Tyrannei militärisch geschlagen, aber der Faschismus nicht. Er hat sich ab den 1980er Jahren durch die kulturellen und politischen Errungenschaften der Neuen Rechten sowie durch andere Kräftespiele neu formieren können.



Bevor die Waffen sprechen: Spionage, Sabotage, Informations- und Wirtschaftskrieg.

Die alten Slogans gegen den Krieg erscheinen mir wie ein Pfeifen im finsteren Wald, damit jemand seine Angst vor dem Dunkel mindern kann. Weshalb ich das so sehe? Ich kenne nur diese Art, wie man Waffen zum Schweigen bringt: eine engagierte Politik. Dabei halte ich die alten Slogans für recht unerheblich.

Das verlangt eine aktuelle Variante von Politik, die keine ist, wenn die Interaktion zwischen/Kooperation von Staatskunst (Funktionstagende) und Gemeinwesen (Zivilgesellschaft) schwächelt oder weitgehend fehlt.

Nun sehe ich aber, wie allerhand Friedensfrömmler einerseits die alten Losungen ausstreuen, andrerseits am Personal europäischer Spitzenpolitik keine gutes Haar lassen und vielen zuständigen Kräften Inkompetenz attestieren.



Letztlich geht es im Krieg um Einfluß, Kontrolle und Zugriff auf Ressourcen.

Okay. Also was nun? Und wie? Das möge man mir erklären! Ich tippe auf großspurige Posen. Wer in der EU-Politik vor allem korrupte Idioten vermutet, hat mir nichts zu bieten. Bloß zu räsonieren und Funktionstragende zu beschimpfen ist ja eine Grundübung der Wasserträgerschaft für auf dem Weg in den Faschismus. (Manche Spitzenkräfte heimischer Politik tun überhaupt nichts anderes als das.)

Dann wäre da dieses rührende „Nie wieder!“, ergänzt um diese Attitüde, man würde „Gegen das Vergessen“ stehen. Was denn vergessen? Wir fürchten etwas aus guten Gründen, das war nie weg. Ich erinnere mich an eine Debatte mit einem eifrigen Gedenk-Folkloristen, der staunte, als ich ihm einige Bücher vorlegte, die Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger erschienen sind, in denen die Strategien wie Errungenschaften der Neuen Rechten dokumentiert wurden. Das wußte der alles nicht.



Wenn man Machtpraxis nicht versteht: Treuherzige Befindlichkeitsprosa
und Outrieren, wo rationale Argumente nützlich wären.

Die Dauerhaftigkeit dessen, was nicht vergessen werden soll, ist kulturell gesichert, hat seine Codes und Strategien. Es muß nicht erst wiederkehren, es hat sich in unserer Gesellschaft schon Ende des 19. Jahrhunderts eingenistet, ist mit seinen ideologischen Optionen und verlockenden Bildern integraler Bestandteil unserer Gemeinwesen. Es sucht seine Möglichleiten jederzeit dort, wo gesellschaftlicher Konsens und engagierte Politik nicht genug Kraft haben, die Menschenverachtung an eine Kette zu legen.

Dieser Bodensatz eines robusten Faschismus zeigt seine Präsenz in Gewalt durch Sprache, Haß und Hetze, aber auch durch innerfamiliäre Gewalt sowie Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Von da aus eignet er sich für jedes höhere Organisationslevel, hat Europa längst mit einem neuen Kalten Krieg überzogen und sich in manchen Weltgegenden als heißer Krieg manifestiert.

Ich meine jene mit Friedensfrömmler, von denen ich bloß Slogans aus dem vorigen Jahrhundert höre, die Europas Politik mit Verve schlechtreden und mir weitere Belege ihrer friedensfördernden Kompetenzen schuldig bleiben. Ich bin überzeugt: so sehen – unter anderem - Steigbügelhalter des Faschismus aus. [Fortsetzung]

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