2. Juli 2025

Hurra, wir sind Bachmann! III


[Vorlauf] In Österreich Künstler zu sein, Künstlerin, egal, in welchem Genre, handelt von höchst unterschiedlichen Lebenskonzepten. Das hat etwas mit Marktsituationen und sozialer Lage zu tun. Da kursieren teils atemberaubende Varianten trivialer Mythen.

Um einen Ausgangspunkt zu markieren: Wenn ich als Autor zehn Prozent vom Verkaufspreis eines Buches erhalte, habe ich einen ausgezeichneten Vertrag aushandeln können. Mit 7,5 Prozent wäre es ein guter Vertrag, fünf Prozent sind auch nicht zu verachten.



Cover-Ausschnitt vom Likus Kulturförderungsbericht 2010.

Das habe ich in meiner Buchhaltung als Bruttobetrag zu verbuchen, bleibt netto natürlich weniger, was man manchen Menschen erst erklären muß. Woran habe ich mich in meinen Jahrzehnten als Freelancer gewöhnt? Daran, daß durchschnittlich 30.000,- Euro Jahreseinkommen (brutto!) eine vorzügliche Leistung sind. (Es gibt eine Legion von Kolleginnen und Kollegen, die haben das nie erreicht.)

Wäre ich nun ein Autor mit entsprechendem Marktwert, könnte so eine Summe (oder auch das Doppelte davon) auf dem Markt allein mit literarischer Arbeit lukriert werden. In jener Liga schreiben aber nur sehr wenige. Das unterstreicht: Es ist in Österreich fast unmöglich, mit rein künstlerischer Arbeit ein angemessenes Jahreseinkommen zu erwirtschaften.

Deshalb ist ein Leben in der Kunst an so höchst unterschiedliche Lebenskonzepte gebunden. Ich wette, unter hundert Prozent der Kunstschaffenden Österreichs bringen Sie keine zehn Prozent zusammen, mit rein künstlerischer Arbeit ein adäquates Jahreseinkommen erreichen.



Marktwert und künstlerischer Rang sind zweierlei! (Quelle: ORF)

Ich beklage das nicht, ich stelle es bloß fest. Angestellte dürfen sich bei Abgaben auf einen Arbeitgeberanteil stützen. Das betrifft vor allem die Sozialversicherung. Sie haben bezahlten Urlaub und gesicherten Krankenstrand. All das muß der Freelancer selbst leisten. Damit bin ich als Künstler nicht alleine.

Was gerne ignoriert wird, von hundert Prozent der österreichischen Unternehmen sind über die Hälfte (!) EPU. Das bedeutet: Ein-Personen-Unternehmen. Also Betriebe mit ein bis zwei Leuten. In der Steiermark macht das nach jüngsten Erhebungen 63,7 Prozent aus. Da falle ich als Autor drunter. [Quelle: WKO]

Wir EPU machen gemeinsam mit den Klein- und Mittelbetriebe über 90 Prozent der heimischen Betriebe aus. 99,7 Prozent der Unternehmen werden als KMU gezählt. [Quelle: BMWET] (Bleiben noch ein paar große Tanker.)

Wenn ich betone, daß ich mit rein künstlerischer Arbeit etwas erwirtschafte, meine ich damit Honorare für Bücher und andere Publikationen, Lesungen, Vorträge, diverse Tantiemen, eventuell auch manches Projektkonzept. Wie erwähnt, nur sehr wenige österreichische Autorinnen und Autoren haben einen Marktwert, dank dessen es aus solchen Quellen für ein gutes Jahr reicht.



(Quelle: Die Presse)

Da können Preise, Stipendien und Residencies viel ausgleichen. Die erwirtschaftet jemand aber nicht auf dem Markt, das investieren der Staat und andere Instanzen in das geistige Leben der Republik. So können Sie nun vielleicht ermessen, was ein Preisgeld wie jenes bedeutet, das Natascha Gangl in Klagenfurt erreichen konnte. Es bedeutet, sie kann ein Jahr gesichert leben und arbeiten, kann ihre ganze Kraft genau so investieren, wie sie es grade möchte, muß sich derweil über den aktuellen Broterwerb nicht rasend viel Gedanken machen.

Diese bachmannpreisigen 25 plus 7 machen also 32.000,- Mücken. Damit kann man leben und arbeiten, da darf aber nichts schiefgehen. Und das darauffolgende Jahr kommt mit Sicherheit. Dafür wird sich Gangl wohl ihren Marktwert verbessert haben, doch das macht aus ihrer Existenz keinen Spaziergang.

Wenn also fix angestellte Leute in halbwegs stabilen Einrichtungen nun verlautbaren, was Gangls Erfolg für das steirische Literaturgeschehen bedeute, entfaltet sich diese Bedeutung für unterschiedliche literarische Kräfte auf extrem unterschiedliche Art. (Der Unterschied macht den Unterschied!)

+) Kulturpolitik (Eine Debatte)

Postskriptum
„Beispielsweise sind 2018 weniger Literaten/innen im Sample vertreten als 2008, die im Referenzjahr kein Einkommen aus ihrer kunstschaffenden Tätigkeit erzielten; oder im Filmbereich sind nun die Einkommensklassen zwischen 10.000 und 20.000 Euro stärker besetzt als noch vor zehn Jahren. Im Gegenzug fallen hier weniger vergleichsweise hohe Einkommen (ab 30.000 Euro) an.“

„Zieht man den Median für das Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit als Indikator heran, so erzielt etwa die Hälfte der Respondenten/innen aus ihrer künstlerischen Tätigkeit Einkommen von unter 5.000 Euro netto pro Jahr. Es sind vor allem Literaten/innen und Bildende Künstler/innen, die zu hohen Anteilen in diesem niedrigen Einkommenssegment zu finden sind.“

Quelle: „Soziale Lage und Kulturvermittler“ (Ein Update der Studie in Österreich‘ 2008), L&R Sozialforschung und der österreichischen kulturdokumentation im Auftrag des Bundeskanzleramtes – Sektion Kunst, Wien, September 2018


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Immer noch anregend: Gerald Raunig und Team.