1. Juli 2025

Hurra, wir sind Bachmann! II


[Vorlauf] Meine gestrige Glosse hat backstage ein paar Rückfragen ausgelöst. Darauf mag ich natürlich eingehen. Ich vermute, seit den Kontroversen in den „Marginalien“ des Literaturmagazins „Manuskripte“, als Handke, Kolleritsch, Scharang und andere inhaltlich aufeinandergeprallt sind, hat es im Steirischen keine halbwegs öffentliche Debatte mehr über unser Metier gegeben.

Lustig, daß ich gestern auch die „Perspektive“ erwähnt hab. Und als ich abends von der Burg Schlaining zurückgekommen bin, wo das heurige „Austria Forum for Peace“ eröffnet worden ist, fand ich im Postkasten… die neue Ausgabe der „Perspektive“. (Dazu später.)



Friedensburg Schlaining: Österreich hat nicht bloß stienerne Festungen!

Milena Renate Findeis hat in einer Reaktion auf meine Glosse sehr treffend zusammengefaßt, was mich da bewegt. Zitat: „Zur realistischen Einschätzung eines Genres gehören auch Zahlen und wenn jemand als Berufswunsch Autor, Autorin angibt, sollte er, sie wissen, wie die Verdienstmöglichkeiten ausschauen. Bedarf es einer Nebenbeschäftigung, so wie Kafka, der als angestellter Jurist bei einer Versicherungsgesellschaft sein Einkommen hatte? Aus meinem Bekanntenkreis haben Autorinnen und Autoren ihr Einkommen als Festangestellte von Rundfunk- und TV-Anstalten, als Redakteure, Professoren oder arbeiten als Aushilfe, wo sich gerade ein Job anbietet.“

Vorzüglich auf dem Punkt. Hier ein noch ausführlicherer Findeis-Kommentar zum Thema: [Link] Das sind Zusammenhänge, in denen es mich stört, wenn via Medien Nachrichten daherkommen, in denen mit einiger Definitionsmacht top down erklärt wird, was es mit unserem Metier auf sich habe. Daß Natascha Gangl jetzt als Beleg herhalten soll, was a) die steirische Literaturszene sei und was b) die Meriten dieser Szene seien, finde ich mehr als diskussionswürdig.



(Quelle: Kleine Zeiung)

Zitat Martin Gasser: „Natascha Gangl ist einer starken steirischen Szene entwachsen. Die gilt es zu pflegen.“ [Quelle] Ich halte das für angewandte Mythenbildung. Die Intention kann ich mir denken, mag sie sogar für redlich halten, aber die Conclusio finde ich verfehlt.

Es könnte einem vor allem durch den Umstand auffallen, daß sich dazu und in letzter Zeit (auch bei anderen Gelegenheiten) jene Personen am exponiertesten äußerten, die a) ein gute Anstellung in einer halbwegs stabilen Kultureinrichtung haben und/oder b) eine halbwegs stabile Kultureinrichtung repräsentieren.

Verstehen Sie mich recht, daran habe ich nichts auszusetzen. Ein relevantes geistiges Leben verdankt die Steiermark in nennenswertem Maß solchen Gegebenheiten. Aber wer das als „Die Szene“ zusammenfaßt, sollte a) genauer werden und b) auch Auskunft geben, was jene Leute ausmachen, die sich solchen Strukturen nicht anpassen möchten oder können.



Ich kenne bis heute nichts Vergleichbares.

Ich spreche bewußt von einem Metier, also von einem ganzen Berufsfeld. Was aber „Szene“ meint, ist etwas anderes! Lassen Sie uns im Auge behalten, wie gerne beim kulturpolitischen Diskurs der Steiermark eine Art von Geschlossenheit angedeutet, auch simuliert wird, die sich dann zum Beispiel in solchen Sprachregelungen ausdrückt: „autonome Initiativenszene“, „freie Szene“ etc.

Das benennt ein sehr klar beschreibbares Milieu. So hat es etwa zuletzt Jeff Bernard in den 1990ern recht aufschlußreich beschrieben. Oder die IG Kultur Österreich mit ihren Publikationen zur Situation von „sektor 3-Formationen“.

Wenig Derartiges kam nach, in den letzten Jahren eher gar nichts. Aus guten Gründen, wie ich unterstelle. Wir erleben in der Branche schon längst einen verborgenen Verdrängungswettbewerb. Der machte sich ab 2010 bemerkbar und war spätestens 2015 höchst akut. Aber das kann doch nicht sein! So sind wir nicht! Naja… [Fortsetzung]

+) Kulturpolitik (Eine Debatte)
+) Kommentar von Milena Renate Findeis


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Immer noch anregend: Gerald Raunig und Team.